Alles was ich schreibe, zeigt ein Stück von mir. Ein Bruchstück. Eine Scherbe, manchmal. Und je mehr ich schreibe, desto mehr wird ein Spiegel daraus.
Auf dem Papier kann ich sein, wer ich bin und werden wer ich sein möchte. Das Papier hört mir zu und wirft manchmal ein Echo zurück. Manchmal trifft es mich, weil es mir zeigt, was ich übersehen habe, überdacht und übergangen habe. Dann tröstet es mich, denn diese Klarheit vertreibt den Schmerz. Wenn ich nicht weiter weiß, schreibe ich. Wenn ich traurig bin, schreibe ich.
Das Papier weiß alles über mich, mehr als ich anderen erzählen kann. Das Papier sieht mich und hilft mir dabei, ich selbst zu sein. Es urteilt nicht. Ich vertraue in das Papier, in den Prozess, in meine Hand, die mich und meine Gedanken trägt, ihnen Klarheit gibt und Gewicht verleiht. Ich vertraue dem Papier, das den Geschichten meines Lebens Gestalt gibt, Worte schenkt und sie mich umschreiben lässt, wann immer ich das möchte und bereit dazu bin.
Das Papier ist mein Spiegelbild, nicht immer geliebt und doch sind wir verbunden. Ich lese mich und wenn ich die Spiegelschrift entschlüssle, erkenne ich mich. Ich schreibe mich fort, fort von hier und lande doch immer im Hier und Jetzt.
Wen siehst du, wenn du in den Spiegel siehst?
Kannst du dich lesen, geschrieben in Spiegelschrift?
Liebe Ann-Christin, mir kommt das Schreiben manchmal vor, als ob ich in einen dreiteiligen Kommodenspiegel sehe, so einen altmodischen, der mich von allen Seiten seiten zeigt und mein Spiegelbild mehrfach immer diffuser spiegelt. Und machmal kommt noch ein Bodenspiegel dazu, dann verliere ich in bisschen den Schreibboden unter den Füßen. Danke für den Impuls von Bettina
Liebe Bettina,
danke für die neue Perspektive mit dem Kommoden- und Bodenspiegel.
Viele Grüße
Ann-Christin
Liebe Ann-Christin, einmal zertrümmerte ich einen Spiegel, um zu entdecken, wie verschieden der Ausschnitt meines Spiegelbildes aus-schaut. Du zeigst es ja auch: Du hast es in der Hand! Deine Hand und Dein Papier zeigen DICH.
In dem Film „Helene“ (es geht um die finnische Malerin Helene Schjerfbeck) malte sich die Künstlerin immer wieder selber. Sie hatte über ihrer Staffelei einen Spiegel hängen und richtete die Frage an dieses Spiegelbild: Wer bin ich? Kann ich mich zeigen, so wie ich bin? Ihre Selbstportraits verbarg sie lange.
Daran musste ich bei Deinem Beitrag denken. Um diese Frage nach mir selber geht es ja auch in meinen Seiten – selbst wenn ich über Dorothy Parker schreibe.
Liebe Grüße aus dem Norden,
Maren
Liebe Maren, Dir kommt die Malerin Helene Schjerfbeck in den Sinn, mir die von mir sehr geschätzte Künstlerin Käthe Kollwitz. Es scheint ein Zeichen der Zeit, dass die Künstler der Jahrhundertwende (Ende des 19.Jh/Anfang des 20.Jh) die Selbstporträts als Sujet ansahen. Auch fällt mir auf, insbesondere wenn ich die Briefe der Paula Modersohn-Becker lese, dass sie tiefgründiger, vielschichtiger, poetischer über sich und mit ihrer Kunst reflektierten, als es modernere Künstler je taten. Ich mag mich aber auch gerne irren. Es ist ein Eindruck.
Liebe Grüße, Katrin
Liebe Maren,
du zeigst es sehr schön mit dem zertrümmerten Spiegel, wie die Perspektive den Blick auf uns selbst verändert. Selbstporträts sind in diesem Zusammenhang sehr spannend und auch der Gedanke, was wir erst durch andere an/in uns entdecken.
Danke für deine Gedanken.
Liebe Grüße
Ann-Christin
Liebe Ann-Christin, wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich nicht mehr die, die ich war, sehe aber auch nicht die, die ich bin. Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich manchmal mehr, manchmal weniger Akzeptanz, manchmal schmettere ich mir entgegen: Ich liebe Dich. Das konnte ich früher nicht, überhaupt nicht. Ich folgte einem Tipp, es in einer anderen Sprache zu versuchen, ja lubju tebja, je t’aime, i love you … das ist einfacher, wird es deshalb glaubwürdiger, führt es zur Akzeptanz dessen, wer man ist und wie man ist?
Danke für Deine Einblicke.
Liebe Grüße,
Katrin
Liebe Katrin,
mit der Spiegelarbeit bringst du eine spannende Frage mit ein. Der Blick in den Spiegel offenbart, was wir über uns denken und wenn wir die Gedanken ändern, ändern wir das (Selbst-)Bild. Ich lächle mich meistens an, wenn ich mich in Spiegeln sehe und genau das finde ich schön daran: mich wirklich zu sehen.
Liebe Grüße
Ann-Christin
Schönen Sonntag, Ann-Christin!
In einer Welt der Kritik und des Zweifels ist es für uns beneidete, teilweise sogar gehaßte Schreiberlinge oftmals sehr heilsam, wenn wir über das Internet die Dunstwolke unserer Kritiker mit unseren individuellen Lichtstrahlen durchbrechen können – manchmal wird die Wolke der Ignoranz zu einem Prisma des Segens …
In diesem Sinne wünsche ich Dir einen ruhigen, inspirativen Sonntag!
Ralph