All das gehört zu mir: Wie Biografiearbeit hilft, das Leben zu umarmen

All das gehört zu mir: Wie Biografiearbeit hilft, das Leben zu umarmen

Fällt es dir schwer, alle Seiten deines Lebens anzunehmen? Ganz besonders die schmerzhaften oder schwierigen? Mit diesem Gefühl bist du nicht alleine. Auf das eigene Leben zu schauen und zu sagen „Ja, all das gehört zu mir“, zeugt von einer tiefen Akzeptanz. Eine solche Haltung umarmt, was wir erlebt haben, und wer wir dadurch geworden sind – und noch werden können. Jede Freude, jeder Schmerz, jeder Irrweg – all das gehört dazu.

Und doch kommt diese Haltung nicht von ungefähr. Biografiearbeit kann helfen, eine wertschätzende Haltung dir selbst und deiner Lebensgeschichte gegenüber zu entwickeln. In diesem Artikel erfährst du mehr über die Wirkung von Biografiearbeit und welche Schreibmethoden dir beim Reflektieren helfen.

Manchmal scheint das Leben wie ein Haufen loser Puzzleteile. Wir kennen das Gesamtbild noch nicht, doch vermissen manche Teile oder Übergänge. Wir sehen Lücken und Puzzlestücke, die wir nirgends anlegen können. Biografiearbeit kann dabei helfen, diese Puzzleteile zu finden und an ihren Platz zu legen.

Biografiearbeit ist die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte. Sie ermöglicht es, Erlebtes zu reflektieren und Zusammenhänge zu erkennen. Dabei setzt du dich kreativ und gestalterisch mit deiner Geschichte auseinander. Das kann auf unterschiedlichen Wegen und in unterschiedlichen Settings geschehen – allein, im Austausch mit anderen oder in der Gruppe.

Ein Ziel von Biografiearbeit ist es, den roten Faden im eigenen Leben zu entdecken und wertzuschätzen. Dabei kannst du dich auf Lebensabschnitte oder Themen konzentrieren, wie die Familie, Freundschaften, Schulzeit, Beziehungen oder deinen beruflichen Werdegang. Auch die Reflexion über deine Gesundheit oder deine kreative Entwicklung, wie zum Beispiel eine Schreibbiografie, können ein Teil davon sein.

Biografiearbeit wird meist mit älteren Menschen in Verbindung gebracht, doch sie ist für Menschen in jedem Alter wertvoll.

Sie unterstützt:

  • Phasen des Übergangs: bei Jobwechseln, Trennungen, einem Verlust, genauso wie Veränderungen durch einen Umzug, den Ruhestand oder eine bevorstehende Elternschaft.
  • Selbstreflexion: um die eigene Identität, Werte und Lebensziele zu klären.
  • Generationenübergreifende Kommunikation: um Familiengeschichte zu bewahren und den Austausch zwischen Generationen zu fördern.

Biografiearbeit ist nicht nur in schwierigen Zeiten wertvoll – sie kann auch dabei helfen, den eigenen Standort zu bestimmen, Veränderungen zu begleiten und Beziehungen zu stärken.

Biografien sind so einzigartig wie die Menschen selbst. Und doch stellen sich die meisten Menschen früher oder später Fragen nach dem Lebenssinn: Woher komme ich? Wer bin ich? Wohin gehe ich? Antworten darauf können im Prozess der Biografiearbeit gefunden werden.

Der Blick in die Vergangenheit hilft dir zu verstehen, wo du heute stehst und wie du deine Zukunft gestalten möchtest. Womöglich entdeckst du Ressourcen, die dir nicht bewusst waren, stärkst das Gefühl für deine Identität und entwickelst ein tieferes Verständnis für die Person, die du früher warst – und für die, die du heute bist. Von dort blickst zuversichtlich auf die, die du morgen sein möchtest.

Die Methoden der Biografiearbeit sind vielfältig. Sie reichen von narrativen Methoden über das autobiografische Schreiben, der Nutzung von Medien bis meditativen und kreativen Methoden.

Oft findet Biografiearbeit sogar im Alltag statt: Wenn du in einem Gespräch eine Erinnerung teilst oder wenn bei Familientreffen Geschichten aus der Kindheit erzählt werden. Fotos anschauen, sich erinnern, Tagebucheinträge oder Briefe lesen: Auch das ist Biografiearbeit.

In meinen Kursen nutzen wir das biografische und kreative Schreiben zur Selbstreflexion. Das Schreiben hilft dabei, die Türen zu deiner inneren Schatzkammer zu öffnen. Und das auf eine achtsame und behutsame Weise.

Das Schreiben gibt dir den Raum, dich deinen Erinnerungen anzunähern und schenkt dir die Freiheit deine Geschichte neu zu erzählen – so, wie du sie heute siehst. Du beginnst, den Eigen-Sinn deiner Biografie zu rekonstruieren und zu verstehen. Aus diesem Verständnis für dich kann Akzeptanz entstehen.

So eröffnet sich dir die Möglichkeit, auch das, was vielleicht schmerzt, sanft anzunehmen. Besonders dann, wenn du mit Abstand auf eine Lebensphase blickst und sie neu einordnen kannst.

Es gibt viele Wege, schreibend mit der Biografie zu arbeiten:

  • Ein Tagebuch kann der Beginn sein, in dem du regelmäßig deine Gedanken und Erlebnisse festhältst.
  • Ein schöner Einstieg für einen Überblick kann die Lebenslinie sein, ein Zeitstrahl der die Höhen und Tiefen deines Lebens markiert.
  • Ein Brief an dein jüngeres Ich kann einen Impuls geben, etwas Vergangenes aus heutiger Sicht zu betrachten.
  • Das Schreiben über Schlüsselmomente kann eine wertvolle Erkenntnis ans Licht bringen.

Einige dieser Schreibübungen sind Teil der Schreibwerkstatt Autor:innen des Lebens.

Wenn du Lust bekommen hast, dein Leben schreibend zu reflektieren, habe ich einen Schreibimpulse für dich.

Sorge dafür, dass du ungestört bist und einen Zettel und einen Stift vor dir hast. Nimm das Blatt im Querformat und schreibe in die Mitte „All das gehört zu mir“ und umkreise es. Das ist dein Ausgangspunkt. Schreibe nun ausgehend von der Mitte eine Assoziation nach der anderen auf, umkreise sie jeweils und verbinde zugehörige Assoziationen mit Linien miteinander. Es können Ereignisse aus deinem Leben sein, Erinnerungen Eigenschaften, Werte, Menschen oder Gegenstände. Sammle so viel, bis du langsamer wirst und dir nichts mehr einfällt.

Betrachte nun das Cluster, das du erstellt hast. Welche drei Begriffe liegen dir jetzt gerade besonders am Herzen? Markiere sie und übertrage sie auf ein neues Papier oder die Rückseite. Stell dir vor, du blickst mit einem zufriedenen Gefühl auf diese 3 Begriffe und denkst dir: „Ja, auch das gehört zu mir”. Schreibe dann einen freien Text, in dem diese Begriffe vorkommen und beschreibe, wie sie miteinander verbunden sind. Schreibe für 15-20 Minuten.

Wie fühlst du dich nach dieser Übung? Lies deinen Text noch einmal durch und markiere oder unterstreiche die Wörter, die dir jetzt wichtig erscheinen.

Ich wünsche mir, dass dir der Artikel und die Übung am Schluss einen Einblick gegeben haben, was Biografiearbeit bedeuten und was sie für dich tun kann.

Biografiearbeit ist mehr als nur ein Blick zurück. Sie ist ein kraftvoller Prozess, durch den du dich selbst besser kennen und verstehen lernst und deine Lebensgeschichte in einem neuen Licht siehst. Indem du schreibst, integrierst du deine Erfahrungen und schaffst Raum für neue, heilsame Perspektiven. So wird das Schreiben zu einem Weg, dich selbst mit all deinen Seiten und Facetten zu umarmen. Nimm dir die Zeit, dich schreibend zu entdecken – denn all das gehört zu dir.

Teile deine Erfahrungen gerne in den Kommentaren.

Und wenn du weiter gehen möchtest, bist du herzlich willkommen bei den Autor:innen des Lebens.

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