Zwischen Inspiration und Blockade – So gestaltest du die Phasen im kreativen Prozess

Zwischen Inspiration und Blockade – So gestaltest du die Phasen im kreativen Prozess

Mal sprudeln die Ideen, mal warten wir vergeblich auf einen guten Einfall. Mal haben wir mehr Energie für unser Schreibprojekt und an manchen Tagen bringen wir nichts zu Papier. Jeder, der schreibt und Kreatives erschafft, kann ein Lied davon singen.

Natürlich ist kein Tag wie der andere, doch haben diese Schwankungen einen Grund: Sie sind Teil des kreativen Prozesses und jeder, der schreibt, muss durch diese Phasen durch. Wenn du weißt, was dabei in dir vorgeht, kannst du dein Schreibprojekt viel entspannter angehen und sogar genießen.

Die Phasen im kreativen Prozess

In der Kreativitätsforschung gibt es die sogenannte Phasentheorie. Graham Wallas hat 1926 in seinem bekannten Vier-Phasen-Modell zusammengefasst, was während des kreativen Denkens in uns vorgeht. Claudia Schuch und Heidi Werder beschreiben in ihrem Buch Die Muse küsst – und dann?: Lust und Last im kreativen Prozess insgesamt sechs Phasen im schöpferischen Prozess. Die Phasen laufen in etwa wie folgt ab:

1. Phase: Vorbereitung

In dieser Phase geht es um das Suchen und Sammeln. Angenommen, du willst eine Geschichte schreiben, dann überlegst du sicherlich zuerst, worum es gehen soll. Du sammelst erste Ideen und hast vielleicht schon ein oder zwei Hauptfiguren im Kopf. Vielleicht recherchierst du auch. Irgendwann hast du viel Material beisammen. Es ist ungeordnet und unübersichtlich. Du weißt nicht weiter und fühlst dich hilflos.

2. Phase: Inkubation

In dieser Phase brütest du wortwörtlich etwas aus. Von außen betrachtet, passiert nicht. Die eigentliche Arbeit spielt sich im Unterbewusstsein ab. Claudia Schuch und Heidi Werder beschreiben Inkubieren als einen „Zustand, in dem das gesammelte Material innerlich verarbeitet, gewandelt und in eine neue, umfassende Form gebracht werden soll.“ Das Ausbrüten kostet Energie und es kann sein, dass du dich in dieser Zeit müde und leer fühlst. Vielleicht brauchst du mehr Zeit für dich oder willst mit niemandem darüber sprechen, woran du gerade arbeitest oder besser gesagt: es versuchst. Wie lange dieser Zustand anhält, ist unterschiedlich. Ist kein Zeitdruck dabei, kann sich diese Phase eine Weile hinziehen.

3. Phase: Moment der Erkenntnis

Nun hat sie dich endlich geküsst, die Muse! In dieser Phase erlebst du dein Heureka!, deinen Aha-Moment. Dieser Moment bringt dir eine Idee, eine Skizze, ein Bild oder eine Melodie. Dein Unterbewusstsein hat mit dem Rohmaterial gearbeitet und es sortiert. Der Musenkuss kommt oft dann, wenn du nicht mit ihm rechnest und etwas tust, wobei deine Gedanken abschweifen: zum Beispiel beim Duschen, Kochen, Schwimmen oder wenn du auf den Zug wartest. Dieser Kuss setzt Energie in dir frei: Du bist begeistert und fühlst dich befreit. Du bewertest die neuen Ideen und entscheidest, wie es weiter geht.

4. Phase: Zeit der Arbeit

Endlich kannst du dich an die Arbeit machen: Schnell schreibst du im Flow und tippst dir die Finger wund. Auf einmal hast du genug Energie, um die Nacht durchzuarbeiten. Du vergisst dich selbst und die Zeit. Ein traumhafter Zustand für alle Schreiber! Doch Vorsicht: Die Stimme des inneren Kritikers oder Selbstzweifel reißen schnell aus dem Flow heraus.

5. Phase: Verifikation

Dein Text oder dein Schreibprojekt ist geschrieben und es kann sein, dass es anders ist, als du es dir vorgestellt hast. Dein Text kann sich fremd anfühlen, weil unbewusste Anteile mit eingeflossen sind. In dieser Phase erlebst du den zweiten Aha-Moment und lernst etwas Neues über dich selbst: Indem du dich mit deinem Text auseinandersetzt, ihn bewertest, überarbeitest und anerkennst. Letztendlich wertschätzt du deinen Text. Gleichzeitig stellst du dir vielleicht vor, was andere zu deinem Text sagen könnten. Aus Angst vor der Reaktion verstecken manche Kreative ihre Arbeit.

6. Phase: Zeit der Erholung

Dein Schreibprojekt ist beendet, doch anstatt erleichtert zu sein, fühlst du dich leer und verloren? Kein Wunder, deine Energie ist verbraucht. Du hast dein Ziel erreicht und fragst dich vielleicht, was du nun mit deiner Zeit anfängst. Du musst deine Arbeit nun loslassen. In dieser Phase hilft es, dich mit allem außer dem Schreiben zu beschäftigen: schlafen, aufräumen, im Garten arbeiten, Sport machen…

Der kreative Prozess im Alltag

In der Praxis lassen sich die Phasen nicht so strikt voneinander trennen wie im Modell. Sie überschneiden sich und gehen ineinander über. Bis eine kreative Arbeit abgeschlossen ist, musst du alle Phasen durchlaufen – es lässt sich keine überspringen. Doch es kann schon mal sein, dass du in diesem Prozess die ein oder andere Schleife drehst, zum Beispiel:

  • Wechseln sich Inkubation und Ana-Momente ab.
  • Verifizierst du nach der Arbeitsphase deine Texte und springst danach zurück in die Arbeitsphase, verifizierst noch einmal usw.
  • Legst du nach der Arbeitsphase eine Erholungspause ein, bevor du dich wieder an die Arbeit machst.

Höre auf dich und vertraue dem Prozess

Hast du dich wiedererkannt? Dann weißt du sicher, in welcher Phase du gerade steckst und was du nun brauchst. Das kann Zeit für dich sein, Ablenkung vom Schreiben, ungestörte Schreibzeit, Strategien gegen den inneren Kritiker oder eine klare Deadline.
Beim Schreiben werden wir immer mit uns selbst konfrontiert. Hör also genau in dich hinein, was du gerade brauchst, auch wenn es bedeutet, dass du erst einmal nicht schreiben willst. Es ist vollkommen in Ordnung, in einem Schreibtief zu stecken. Vertraue dem kreativen Prozess, irgendwann kommst du am Ende an – und beginnst wieder von vorne mit einem neuen Text.

Quellen und weiterführende Literatur:

Csíkszentmihályi, Mihaly (2014): Flow und Kreativität. Wie Sie Ihre Grenzen überwinden und das Unmögliche schaffen. Klett-Cotta Verlag: Stuttgart.

Fitzke, Daniel (2018): 30 Minuten Schreibblockaden lösen. Gabel: Offenbach.

Schuch, Claudia; Werder, Heidi (2006): Die Muse küsst – und dann?: Lust und Last im kreativen Prozess. Karger: Basel.

Schreibprobleme adé – Besser schreiben mit dem Schreibprozess

Schreibprobleme adé – Besser schreiben mit dem Schreibprozess

Texte lassen sich besser und effizienter schreiben, wenn du mit den Phasen des Schreibprozesses vertraut bist. Zu den häufigsten Schreibproblemen zählt das Vermischen der Schreibphasen: Noch während des Schreibens wird korrigiert, der Schreibfluss stockt, der innere Kritiker meldet sich zu Wort – da sind Blockaden vorprogrammiert. In diesem Artikel stelle ich dir den Schreibprozess vor und damit ein Hilfsmittel, um dein Schreiben besser zu strukturieren.

Die Phasen im Schreibprozess

In der Schreibforschung ist das Modell von Hayes & Flower die Basis für den Schreibprozess. Es gliedert sich in diese Phasen:

  1. Planen
  2. Formulieren
  3. Überarbeiten

Das Modell stellt einen idealen Prozess dar, der jedoch in der Praxis und individuell unterschiedlich sein kann. Diese Phasen helfen dabei, sich während des Schreibens zu orientieren und größere Schreibprojekte zu bewältigen.

Die passenden Arbeitstechniken für jede Schreibphase

Stell dir vor, du startest mit einem neuen Schreibprojekt. Bevor du dich direkt ins Schreiben stürzt, solltest du dich gedanklich darauf vorbereiten, um dir selbst genug Material zu geben, damit du später störungsfrei und fokussiert schreiben kannst.

Das Schreiben vorbereiten

Ideen entwickeln

Geeignete Methoden, um Ideen zu entwickeln sind zum Beispiel Brainstorming, Cluster, Mind Map oder Freewriting. Mit einem Arbeitsjournal kannst du dein Schreibprojekt dauerhaft begleiten und Ideen notieren: vom Thema, den Figuren bis zum Schauplatz.

Planen und strukturieren

Wenn du weißt, worüber du schreiben möchtest, solltest du in dieser Phase deine Ideen und dein bisher gesammeltes Material sortieren, es um Recherchen ergänzen und eine Gliederung erstellen. Auch bei literarischen Texten sind Gliederungen sinnvoll, zum Beispiel der Anfang und das Ende einer Kurzgeschichte, vielleicht sogar einzelner Abschnitte oder du kannst das Motiv deiner Geschichte ausarbeiten.

Den Plot deiner Geschichte kannst du grob planen, zum Beispiel mit einem Storyboard in Pinterest und ihn dann kapitelweise ausarbeiten. In dieser Phase solltest du dir außerdem einen Schreib- und Zeitplan erstellen. Dieser Plan kann ein Wörterziel pro Tag oder Schreibsitzung umfassen und sollte dein Schreibpensum auf deine Schreibzeit verteilen.

Den Rohtext schreiben

Bevor du mit dem Schreiben beginnst, solltest du dich in Schreibstimmung versetzen: ein bestimmtes Lied hören, Bilder anschauen, Zitate oder ein Gedicht lesen, ein Blick auf dein Storyboard werfen oder deinem Schreibritual nachgehen. Diesen Schritt solltest du an jedem Schreibtag an den Anfang stellen. Daran kann sich eine kurze Schreibübung anschließen.

Sei dir darüber klar, dass du einen Rohtext schreibst. Es ist ein Entwurf, den du später noch überarbeiten wirst. Später – und nicht jetzt. In dieser Phase geht es darum, zu schreiben und in einem Schreibfluss zu bleiben und deinen Gedanken zu folgen. Ohne Korrekturen zwischendurch. Ohne schnell etwas nachschlagen zu wollen und dann bei Google zu versumpfen.

Im Moment des Schreibens treffen unsere Erwartungen und eine ideale Vorstellung vom fertigen Text auf den Rohentwurf. Einem Text, in dem die Worte noch nicht geschliffen sind, Übergänge noch nicht stimmen, viele Sätze vielleicht immer wieder mit dem gleichen Wort beginnen. Die Versuchung ist groß, die Sätze umzustellen und Wörter zu löschen. Doch bleib bei deinen Gedanken und schreib den Text.

Um die Rechtschreibung und Synonyme kümmerst du dich einfach später. Verlagere alles, was in dieser Phase keinen Platz hat, in die Korrekturphase. Arbeite stattdessen mit einem Zeichencode und kennzeichne Wortwiederholungen, inhaltliche Lücken und fehlende Informationen mit einem Sternchen (*), Auslassungszeichen … , in Klammern ( ) oder markiere sie farbig.

Der Weg zum fertigen Text

Überarbeiten

Plane für die Überarbeitung ausreichend Zeit ein und beginne erst damit, wenn du etwas Abstand zu deinem Text gewonnen hast. Lass ihn ruhen von einer Nacht bis zu mehreren Tagen. Der beste Weg zum Überarbeiten ist immer noch der Ausdruck auf Papier und lautes vorlesen. Deinen Text solltest du in mehreren Durchgängen mit jeweils anderem Fokus überarbeiten: Rechtschreibung, Adjektive, Rhythmus, Beschreibungen, Figuren etc. Hier kümmerst du dich außerdem um die Markierungen, die du während des Schreibens gesetzt hast.

Veröffentlichen

Mit Abschluss der Überarbeitung ist dein Text fertig und bereit für den nächsten Schritt: die Veröffentlichung. Nach der Überarbeitung ist außerdem eine gute Gelegenheit, um den Text anderen zu zeigen oder an Testleser herauszugeben. Wenn du den Text in einer zu frühen Phase zeigst, kann es zu Schreibhemmungen führen. Die früheste Phase, um dir Feedback einzuholen ist nach Abschluss der Planungsphase. Hier kannst du um Feedback zur Struktur, zur Grundidee und zum Plot bitten.

Der Prozess in der Schreibpraxis

Bei einem kleinen Projekt durchläufst du mit dem Text alle Phasen nacheinander. Bist du in der Schreibphase angekommen, startest du an jedem Schreibtag mit dem Einstimmen und dann dem Schreiben. Es ist allerdings möglich und auch nötig, dass sich Schreibphasen wiederholen. Wenn du während der Überarbeitung feststellst, dass es dir an Ideen, Informationen oder Szenen fehlen, dann springe zurück in die entsprechenden Planungsphase und später zum Schreiben. Bei einem umfangreicheren Projekt schreibst du idealerweise kapitelweise an deinem Projekt. Dabei durchläuft jedes Kapitel den kompletten Schreibprozess.

Die Infografik zeigt die Phasen im Schreibprozess auf

So entwickelst du deinen individuellen Schreibprozess

Reflektiere deinen eigenen Schreibprozess und dein Verhalten beim Schreiben. Neigst du dazu, die Schreibphase aufzuschieben, während des Schreibens abzuschweifen oder zu lange (Denk-)Pausen zwischen zwei Sätzen einzulegen? Diese Probleme geben dir einen Hinweis, welche Phase im Schreibprozess du vielleicht auslässt und das Problem mit in die Schreibphase hinein schleppst.

Wenn du dich kennst und weißt, welcher Schreibtyp du bist, kannst du deinen Schreibprozess daran angleichen und manche Phasen im Schreibprozess mehr ausdehnen als andere. Wichtig ist, dass du die Tätigkeiten innerhalb der Phasen nicht miteinander verbindest. Vor allem die vorbereitenden Tätigkeiten dürften nicht jedem gleich gut liegen und ähnlich ausführlich ausfallen. Wer eher drauflos schreibt, wird sich nicht so lange mit der Vorbereitung aufhalten als jemand, der eine detaillierte Planung braucht.

Einen Überblick über die unterschiedlichen Schreibtypen gebe ich dir an einer anderen Stelle.

Weitere Ideen, wie du einen Schreibtag gestalten kannst, liest du in meinem Artikel über den idealen Schreibtag.