Blackout Poetry – Eine kreative Schreibübung für visuelle Gedichte
Als Blackout Poet*in begibst du dich auf die Suche nach verstecken Versen. Du liest zwischen den Zeilen und entdeckst eine neue Bedeutung, ja vielleicht sogar eine versteckte Botschaft in einem Text. Alles, was du brauchst, ist ein Text und ein schwarzer Marker und in wenigen Strichen entsteht dabei ein Blackout Poem – eine kreative Schreibübung und Lockerungsübung, die vieles miteinander vereint: Das Spielen mit Worten und die entspannende Wirkung des Ausmalens und das erfüllende Gefühl, ein Gedicht in den Händen zu halten.
Was ist Blackout Poetry?
Ein Blackout Poem entsteht, wenn du alle Wörter eines Textes mit einem Marker schwärzt und nur diejenigen übrig lässt, die du für deinen neuen Text brauchst. Zusammen formen der neue und der geschwärzte Text ein visuelles Gedicht.
Die Idee, Texte in anderen Texten zu finden, hat eine lange Tradition. Bei der Cut-Up-Technik beispielsweise werden Wörter aus der Zeitung ausgeschnitten und zu einem neuen Text zusammengepuzzelt. Diese Ausdrucksform nennt sich Appropriation Art, also die Kunst, sich etwas Fremdes anzueignen, einen Künstler zu kopieren, sich von ihm inspirieren zu lassen, mit seinem Material zu beschäftigen.
Ein Verfechter der Newspaper Blackout Poems ist Austin Kleon. Begonnen hat er damit, während einer Schreibblockade. Als ihm die Worte gefehlt haben, hat er sich die Wörter anderer ausgeliehen. Seit 2005 schwärzt er Zeitungen und hat seine Blackout Poems in die digitale Welt gebracht. Seit Instagram und Pinterest ist es so leicht wie noch nie, seine Werke online zu teilen.
So entsteht ein Blackout Poem – eine Anleitung
Ein Blackout Poem lässt sich in drei Schritten erstellen:
- Nimm dir eine Seite Text und einen schwarzen Edding. Als Textmaterial eignen sich Romane, Kurzgeschichten, Zeitungen und Magazine. Du kannst auf Kopien, direkt im Buch oder auf herausgetrennten Seiten schwärzen. Ich bevorzuge die Upcycle-Variante und nehme die Bücher aus Offenen Bücherschränken und trenne die Seiten heraus.
- Überfliege den Text und achte auf die Wörter, die dir ins Auge springen oder schön klingen. Überlege dir, welches Thema dahinter steckt und die Worte verbindet. Hast du ein Thema gefunden, solltest du den Text erneut nach passenden Worten absuchen. Wie gut die Wörter zusammenpassen, testest du am besten, indem du die Wörter mit Bleistift unterstreichst, umrandest oder umkreist.
- Jetzt ist es soweit: Schwärze alle Wörter, die nicht zu deinem neuen Text gehören. Möchtest du die Seite zusätzlich kunstvoll gestalten, kannst du die Form des Gedichts auf das Thema abstimmen und zum Beispiel eine Uhr, eine Weltkugel, einen Fluss zeichnen oder deine Streichmethode (Punkte, Striche, Wellen) daran anpassen.
So sieht ein fertiges Gedicht aus:
Zauber
Sterne umtanzten funkelnd den Mond
von Zeit zu Zeit
Tatsächlich ist es so einfach wie es klingt, denn es gibt keinen falschen Weg, ein Blackout Poem zu erstellen. In meinem Beispiel habe ich goldene Acrylfarbe verwendet. Damit du nicht wie ich, die Worte, die stehen bleiben sollen, knapp oder versehentlich übermalst, solltest du sie vorher mit Korrekturband abkleben.
Du wirst allerdings feststellen, dass nicht jede Seite funktioniert. Der Wortschatz auf einer Seite ist vorgegeben und damit begrenzt. Mit Krimis und Dialogen habe ich zum Beispiel keine guten Erfahrungen gemacht. Bevor ich ein Buch zum Blackout Book erkläre, lese ich mehrere Seiten quer, um zu prüfen, ob Thema und Sprache für mich stimmen. Manchmal hilft es, die Seite umzudrehen, doch wenn auch die Rückseite nichts hergibt, solltest du es mit einem neuen Text versuchen.
Eine eigene Handschrift entwickeln
Mit der Zeit wirst du deine eigene Handschrift für die Gedichte finden. Experimentiere mit Material, Stiften (zum Beispiel Filzsstifen, Buntstiften, Wasserfarben, Aquarellkreide, Acrylfarbe) und variiere in Farben und Formen. Hierzulande ist Dirk von Mentalreserven bekannt für seine sogenannten Textverdunkelungen. Auf Twitter veröffentlicht er sie regelmäßig und sie tragen seinen eigenen, wiedererkennbaren Stil.
Mit Blackout Poetry gegen Perfektionismus
Ein Blackout Poem ist in weniger als 15 Minuten erstellt und damit sehr gut geeignet als eine Übung für Zwischendurch oder zum Aufwärmen. Es ist außerdem eine tolle Kreativübung für Gruppen und Workshops. Sehr schnell hältst du das Ergebnis in deinen Händen und siehst den Erfolg.
Nebenbei ist es eine gute Übung gegen Perfektionismus, denn sobald du alles geschwärzt hast, ist das Gedicht fertig. Es gibt nichts mehr, was du verbessern oder austauschen kannst. Es kommt nicht darauf an, wie akkurat du mit dem Marker streichst. Letztendlich ist ein Blackout Poem ein Produkt des Zufalls aus den Wörtern, die auf einer zufällig ausgewählten Seite stehen und die dich genau in diesem Moment angesprochen haben.
Das Blackout Book als Schreibprojekt
Hast du einmal ein Blackout Poem erstellt, wird es selten bei einem bleiben. Die Schwarzmalerei ist ansteckend und eignet sich wunderbar für eine Reihe. Das können Gedichte sein, die visuell ähnlich gestaltet sind, oder ähnliche Themen behandeln. Es können zudem alles Gedichte aus dem Material einer Autorin oder eines Autor sein.
Kauf dir dafür dein Lieblingsbuch oder das Buch eines deiner literarischen Vorbilder noch einmal, zum Beispiel gebraucht oder in einer anderen Ausgabe und arbeite es Seite für Seite mit Blackout Poems durch. Auf diese Weise beschäftigst du dich mit einem anderen Schreibstil und jonglierst mit Worten – was je nach Material deinen Wortschatz erweitern kann. Gerade wenn du viel auf der Tastatur schreibst, ist das analoge und haptische Arbeiten eine tolle Abwechslung.
Was tun mit dem fertigen Gedicht? – Teilen!
Auf keinen Fall solltest du es in der Schublade verstecken. Teile es mit anderen über Social-Media-Kanäle wie Twitter, Pinterest oder Instagram. Blackout Poems sind außerdem schöne Geschenke. Hat dich ein Wort an einen Freund erinnert, dann mach ihm eine Freude und schicke ihm das Gedicht oder rahme es ein und schenke es ihm.
Ideen, Beispiele und Inspiration für Blackout Poetry
Auf Pinterest, Twitter und Instagram wirst du alleine durch den Suchbegriff Blackout Poetry mit Ideen und Vorlagen überflutet. Auf Twitter findest du deutsche Poesie unter #verstvers. Das steht für die versteckten Verse, die wir in einem Text finden. Etabliert und eingedeutscht hat den Begriff das A&O samt einer ausführlichen Anleitung für Blackout Poetry und das Finden versteckter Verse. Bei Instagram versammeln sich die Gedichte unter #blackoutpoetry #blackoutpoetrycommunity und #newspaperblackout.
Diese Beispiele sind ansteckend und machen Lust, gleich selbst zum Text und Marker zu greifen. In diesem Sinne:
„Schreiben ist leicht. Man muss nur die falschen Wörter weglassen.“
Mark Twain