Ich stehe in der Mittagssonne vor den Büchertischen und lasse meine Finger über die Buchränder wandern. Dabei kippe ich sie um wie Dominosteine, lasse Buchdeckel an Buchdeckel klappen auf der Suche nach nichts Bestimmten. Es war ein Zufall, der mich an diesem Samstag zu diesem Bücherflohmarkt geführt hat. Genauso absichtslos nehme ich die Bücher in die Hand.

Fundstücke auf dem Bücherflohmarkt

Zwischen vielen unbekannten Titeln entdecke ich meine alten Bücher in genau den Ausgaben, die einmal in meinem Regal standen. Irgendwann habe ich sie ungelesen weitergegeben, weil ich erkennen musste, dass ich sie wahrscheinlich nie lesen werde. Ich blättere mich durch vergilbte Seiten und stoße auf eine handgeschriebene Widmung. Einfach so steht sie da, mit schwarzem Kugelschreiber geschrieben, verewigt auf Seite eins. „Hals- und Beinbruch, sowie eine gute (Bruch-?) Landung wünscht dir kein anderer als Philipp“, lese ich.

Widmung in Max Frisch‘ Homo Faber

Ich schmunzle über die Widmung, diese pointierten Wünsche für eine bevorstehende Reise. Es sind Worte, die nicht für mich bestimmt sind und für niemanden sonst. Bücher wie diese begegnen mir oft, da ich die meisten meiner Bücher gebraucht kaufe.

Widmungen erzählen Geschichten

Bei solchen Büchern stelle ich mir immer dieselben Fragen: Warum bloß wurde es weggegeben? Ist das Buch eine Erinnerung, die nichts mehr wert ist? An eine Liebe oder eine Freundschaft vielleicht. Ist es ein Buch, das erst verliehen und dann vergessen wurde? Ist es über eine Haushaltsauflösung in das Antiquariat gekommen, gebracht von den Enkeln oder Kindern in einem Umzugskarton?

Das Eigenleben der Bücher

Ich stöbere weiter und entdecke ein schmales Büchlein vom Eigenleben der Widmungen und den Geschichten, die sich daraus entspinnen lassen. In Jana Volkmanns Erzählung Fremde Worte flüchtet sich eine einstige Leserin in diese Widmungen.

Hanna hatte aufgehört, Romane zu lesen, und angefangen, Widmungen zu lesen. […] Sie hatten nur einen einzigen Adressaten, sie waren immer bloß für dich […].

Auf der Suche nach solchen Widmungen streift sie durch die Antiquariate und Flohmärkte Berlins. “Erst ganz zum Schluss schlug sie wie beiläufig, wie versehentlich die leere Seite zwischen Impressum und Vorwort auf. Und dann die leeren Seiten innen am Buchdeckel.”

Ein wenig ertappt fühle ich mich und lese weiter in den Geschichten um die Geschichte, den kleinen Schätzen aus Alltagsbeobachtungen und beschließe, es mitzunehmen.

Bücher und Geschichten auf Reisen

Da stehe ich also auf einem Umschlagplatz der Geschichten. Denke nach, über dies und jenes und Hanna, während ich meine drei ausgesuchten Bücher beim Standbesitzer bezahle. Was die Widmungen bedeuten, das wissen nur das Du und das Ich und wie sie auf den Flohmärkten gelandet sind, weiß sicher nur der Beschenkte. Meine Bücher haben noch nicht ihren letzten Besitzer gefunden. Eines Tages werde ich manche von ihnen freigeben und wer weiß, vielleicht landen sie dann auf einem dieser Bücherflohmärkte und jemand kauft sie wegen der Widmung.

Quellen und weiterführende Literatur

Volkmann, Jana (2014): Fremde Worte. Textlicht Band 9. Wien: Edition Atelier.

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