von Ann-Christin | 19. August 2018 | Impulse, Portfolio
Kennst du auch die Menschen, die lieber Nachrichten schreiben anstatt anzurufen? Die erst eine kurze Denkpause einlegen, bevor sie sprechen? Ich gehöre zu ihnen und kam erst vor wenigen Jahren dahinter, warum das so ist: Ich bin ein leiser Mensch – ich bin introvertiert.
Mit dem Schreiben habe ich mir zuerst intuitiv und dann ganz bewusst Inseln, Rückzugsorte und ein Denkwerkzeug geschaffen. Schreiben ist mein Weg, um in unserer lauten Welt zu bestehen. Und es ist kein Zufall, warum sich Introvertierte gerne schriftlich ausdrücken und unter ihnen einige Schriftsteller zu finden sind.
Was ist Introversion?
Introversion ist nur ein Ende einer Skala auf deren gegenüberliegenden Seite die Extraversion steht. Wir können im Laufe unseres Lebens und in unterschiedlichen Situationen verschiedene Positionen auf dieser Skala einnehmen. Wir alle kennen Bereiche, in denen wir uns extrovertiert oder introvertiert verhalten. Meist überwiegt die Neigung in eine Richtung. Wer beides zu gleichen Teilen in sich vereint, ist ambivertiert. Geschätzte 30-50 Prozent der Menschen weltweit sind introvertiert.
Die Begriffe introvertiert – nach innen gewandt und extrovertiert – nach außen gewandt gehen auf den Psychologen C. G. Jung zurück. Das wichtigste Merkmal der Persönlichkeitstypen ist, woher sie ihre Energie beziehen. Introvertierte neigen dazu, sich erschöpft zu fühlen, wenn sie viele Eindrücke zu verarbeiten und viele Menschen um sich herum haben. Um neue Kraft zu schöpfen, ziehen sie sich zurück und verbringen zum Beispiel einen ruhigen Abend mit einem Buch. Extrovertierte hingegen blühen in Gesellschaft auf und umgeben sich gerne mit vielen Menschen – daraus ziehen sie ihre Energie.
Ob wir eher intro- oder extrovertiert sind, ist eine Persönlichkeitsfrage und damit zu einem Teil Veranlagung. Introversion zeigt sich beispielsweise in der Ausstattung unseres Nervensystems. Sylvia Löhken, Expertin für introvertierte Menschen, erklärt es in ihrem Buch „Leise Menschen – gutes Leben“ wie folgt: „Intros haben ganz wörtlich ‚längere Leitungen‘ in ihren Hirnen, weswegen die Reize längere Strecken zurücklegen.“ Das heißt, wir verarbeiten Eindrücke langsamer und brauchen mehr Zeit zum Nachdenken.
Was es heißt, introvertiert zu sein
Freunde und Familie haben mich schon immer anders beschrieben als Lehrer oder Arbeitskollegen wenige Woche nach meinem ersten Arbeitstag. Wurde ich in der Schule eher übersehen, war ich in vertrauten Kreisen alles andere als leise. In Gruppen wiederum bin ich ruhiger und in Zweier-Gesprächen merkt man mir meine leise Art nicht mehr an.
Erst als ich einen Artikel über „outgoing introverts“, also introvertierte Menschen mit extrovertierten Merkmalen, gelesen habe, hatte ich endlich die Antworten, nach denen ich lange gesucht habe. Es tat so gut, zu lesen, dass mit mir alles in Ordnung ist. Seitdem kenne ich mich besser und weiß nun, wann ich mich in der Vergangenheit entgegen meines Naturells verhalten habe und ich deshalb an meine Grenzen gestoßen bin.
Warum schreiben gerade die leisen Menschen?
Introvertierte Menschen neigen dazu, verkopft zu sein und die Dinge immer wieder zu durchdenken. Dass gerade leise Menschen schreiben, ist ein Weg und manchmal auch eine Notwendigkeit, die Gedanken zu sortieren und abzustellen. Auf dem Papier, aus dem Kopf – das stelle ich bei mir immer wieder fest.
Weitere Gründe, wie das Schreiben introvertierten Menschen hilft:
- Schreiben ist entschleunigte Kommunikation: Wir haben mehr Zeit, um über unsere Antwort nachzudenken.
- Schreiben und Lesen sind einsame Tätigkeiten und Rückzugsorte, die uns helfen, Energie zu tanken.
- Beim Alleinsein kommen wir eher auf neue Ideen. In einem Essay beschreibt Science-Fiction-Autor Isaac Asimov wie Isolation die Kreativität begünstigt.
- Schreiben schafft Strukturen und lässt Ideen entstehen. Eine Methode, die beides miteinander verknüpft ist das Schreibdenken von Ulrike Scheuermann.
Introvertierte Schriftsteller
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, unter Schriftstellerinnen Introvertierte zu finden. Es gibt lange Listen mit Autorinnen, die als introvertiert gelten, z. B. Franz Kafka, Joanne K. Rowling, Haruki Murakami, Emily Dickinson, Edgar Allan Poe, Virginia Woolf…
Schreiben als Stärke im Alltag nutzen
Ihr lieben, leisen Menschen, seid euch dem Schreiben als Stärke bewusst und bringt sie mehr in euren Alltag ein! Damit lässt sich manchmal sogar ausgleichen, was ihr an euch als – vermeintliche – Schwäche wahrnehmt.
Ich habe dem Schreiben deshalb viel Platz in meinem Leben eingeräumt. Durch schwierige Phasen und Entscheidungsfindungen begleitet mich mein Journal, jeden Abend reflektiere ich den Tag in meinem Tagebuch. Meine Arbeit organisiere ich mit Unmengen Notizen – auf Papier und digital. Wichtige Termine bereite ich schriftlich vor, damit mir nicht die Worte fehlen. Im Kundenkontakt setze ich E-Mails gezielt ein – und meine Art, die Dinge fundiert darzustellen und auf den Punkt zu bringen, wird dabei sehr geschätzt.
Mit Freunden kommuniziere ich schriftlich und auch das hat, je nachdem wie lang die Nachrichten werden, etwas sehr Ordnendes für mich. Und ja, auch ich weiß, dass man mit einem Anruf manchmal schneller ans Ziel kommt – und dann rufe ich an, aber nicht ohne mir vorher Notizen zu machen (zumindest wenn es geschäftliche Anrufe sind).
Introvertiert oder extrovertiert?
Mit diesem Online-Test von Sylvia Löhken findest du heraus, ob du eher introvertiert oder extrovertiert bist. Wozu neigst du und wie hilft dir das Schreiben dabei? Wann ist es vielleicht sogar eine Hürde?
Quellen und weiterführende Literatur
Löhken, Sylvia (2017): Leise Menschen – gutes Leben. Das Entwicklungsbuch für introvertierte Persönlichkeiten. Offenbach: GABAL
Scheuermann, Ulrike (2012): Schreibdenken. Schreiben als Denk- und Lernwerkzeug nutzen und vermitteln. Stuttgart: UTB.
von Ann-Christin | 5. August 2018 | Impulse
Creative Writing (dt.: Kreatives Schreiben) blickt in den USA auf eine lange Tradition zurück. Seit mehr als 100 Jahren wird die Kunst des Schreibens dort an Universitäten unterrichtet. Doch was geschieht hinter den verschlossenen Türen der Workshops? Und wie unterscheiden sie sich von Kursen im Kreativen Schreiben im deutschsprachigen Raum?
Was ist Creative Writing?
Die eine Definition von Creative Writing gibt es nicht. Wikipedia definiert es allgemein zutreffend: “Kreatives Schreiben ist eine Bezeichnung für Schreibansätze, die davon ausgehen, dass Schreiben ein kreativ-sprachlicher Prozess ist, zu dem jeder Mensch methodisch angeleitet werden kann.”
Creative Writing im amerikanischen Verständnis ist auf das Lernen von Techniken des literarischen Schreibens ausgelegt. Kreatives Schreiben entstand in Deutschland während der Schreibbewegung der 1970er Jahre. Hier stand Schreiben als Selbsterfahrung im Vordergrund, doch hat sich mit der Zeit für Theorie, Methodik und Didaktik geöffnet. “Der Schreibbewegung war dabei klar, dass Kreatives Schreiben als Unterhaltung, Selbstverständigung, Selbsttherapie ebenso nützlich ist, wie zur Aneignung von Schreib-Handwerkszeug”, so Schreiblehrer Lutz von Werder(1).
In Schreibkursen, Werkstätten und Workshops an der vhs oder bei privaten Anbietern findet sich hierzulande eine Mischung aus beidem: Übungen, die zum Schreiben anregen und Schreibhandwerk, das vermittelt wird.
Wie wird Creative Writing in den USA gelehrt?
Programme zum Creative Writing gibt es in den USA an fast allen Universitäten. Meist unterrichten es Schriftsteller. Mit 16 Zeitschriften zum Kreativen Schreiben und über 350 Studiengänge hat die USA ein vielfältiges Angebot und eine ausgeprägte Schreibforschung(1).
Der bekannteste Studiengang ist der Iowa’s Writers Workshop an der State University of Iowa. Gegründet 1936 war er der erste Kurs seiner Art, den man mit einem Uni-Abschluss verlassen kann, dem Master of Fine Arts. Dieser Workshop wurde zum Modell für viele weitere Kurse und Master-Programme.
Ein Blick auf die Webseiten der Universitäten, in die Vorlesungsverzeichnisse und Erfahrungsberichte der Teilnehmer verrät, dass die Workshops folgende Methoden gemeinsam haben:
- Lesen, lesen, lesen
- Produktive Auseinandersetzung mit Literatur
- Austausch und Kritik in der Gruppe
- …und natürlich: Schreiben
Aus der Literatur lernen
Creative Writing ist in den USA entstanden, um die Literaturwissenschaft um einen Praxisbezug zu ergänzen(2). Daher ist die Auseinandersetzung mit Literatur und die Entstehung eines Textes ein wichtiger Baustein, um das literarische Schreiben zu vermitteln.
Denk einmal daran, wie Schriftsteller früher ohne Kurse ihr Handwerk erlernt haben. Sie haben ihre Vorbilder imitiert und mit ihren Texten auf bestehende Literatur geantwortet.
Die wichtigsten Lektionen für das eigene Schreiben lernst du in der Lektüre anderer Autoren. Schau dir die Passagen an, die du brauchst, um dein eigenes Schreiben weiterzuentwickeln, z. B. wie Anfang und Ende gestaltet sind, wie ein bestimmter Erzählton erzeugt wird, wann welche Erzählperspektive gewählt wird, wie Dialoge, Rückblenden etc. geschrieben sind.
Mit der Hilfe von Literaturlisten und einer reader’s response kannst du Bücher gezielt unter bestimmten Schwerpunkten lesen.
Literaturlisten und Leselisten
Jeder Creative-Writing-Studiengang hat seine eigenen Literaturlisten mit Romanen, Gedichten und Kurzgeschichten, die die Student*innen während des Semesters lesen. Hierzulande geben Zeitungen regelmäßig Leselisten heraus (z. B. die SZ-Bibliothek der Süddeutschen Zeitung, Klassiker der Weltliteratur oder einfach Bücher, die man gelesen haben muss) und nahezu jedes Germanistik-Institut hat seine eigene Liste online gestellt.
Tipp: Erstelle eine persönliche Leseliste, die auf deine Schreibziele und dein Genre abgestimmt ist. Sie sollte eine gute Mischung aus Klassikern und zeitgenössischen Titeln enthalten.
Reader’s Response
Jesse Falzoi erzählt in ihrem Schreibratgeber Creative Writing davon, dass sie während ihres Master-Programms zu jedem gelesenen Text eine reader’s response geschrieben hat. Das ist die Antwort eines Lesers auf einen Text, um herauszufinden “was ich für mein eigenes Schreiben lernen konnte” so Falzoi(3).
Eine solche Antwort reflektiert die Leseerfahrung: Wie wirkt der Text und was macht er mit mir als Leser? Und warum? Inwiefern spielt meine eigene Erfahrungen beim Lesen des Textes eine Rolle? Welche Erwartungen habe ich an den Text, wurden sie erfüllt oder in eine andere Richtung gelenkt. Wo hat mich der Text überrascht?
Tipp: Schreibe für jeden Text auf deiner Leseliste eine reader’s response von drei bis fünf Seiten. Hier ist ein Beispiel für ein Reader’s Response von Jesse Falzoi.
Über eigene und fremde Texte sprechen
Woche für Woche erhalten die Student*innen die Aufgabe, Texte zu lesen und selbst zu schreiben. In jeder Sitzung steht ein anderer Text eines Teilnehmers im Mittelpunkt, den die Gruppe unter die Lupe nimmt. Sie diskutieren Inhalt, Handwerk, Wortwahl, Sprache, Form, Anspruch, Wirkung und die Frage: Funktioniert der Text? Der Verfasser darf sich erst zum Schluss zur Kritik äußern.
Tipp: Diese Form der Textarbeit und Textkritik findet sich selten in Kreatives-Schreiben-Kursen. Bist du Teil einer Schreibgruppe? Dann probiert es aus, schickt euch gegenseitig eure Texte, verseht sie mit Kommentaren und besprecht sie gemeinsam. Verständigt euch zuvor darauf, welche Maßstäbe ihr an einen Texte anlegt.
Welche Erfahrung hast du gemacht?
Wie verbesserst du dein Schreiben? Besuchst du regelmäßig Kurse? Schreib es mir gerne in die Kommentare.
Quellen und weiterführende Literatur
1 Hansen, Jan-Christian (2015): Das Dilemma des Schreibunterrichts in Deutschland: Wenn für Schreiben im Deutschunterricht kein Platz ist. disserta Verlag: Hamburg.
2 von Werder, Lutz (2013): Lehrbuch des Kreativen Schreibens. marixverlag: Wiesbaden.
3 Falzoi, Jesse (2017): Creative Writing: Texte und Bücher schreiben. Der neue Kreativ-Schreiben-Kurs in sechzehn Lektionen. Autorenhaus: Berlin.
von Ann-Christin | 29. Juli 2018 | Journaling
Vielleicht kennst du es auch noch: Das Warten auf die versprochene Urlaubskarte als du noch ein Kind warst? Oft hast du vergeblich in den Briefkasten getastet. Doch irgendwann war sie dann da, war wochenlang unterwegs und ist viel später angekommen als die Reisenden.
Darauf zu lesen: Die üblichen Angaben zum Wetter, dem Essen und die Aneinanderreihung von Ausflugszielen. Das geht besser und lässt sich üben mit einer literarischen Postkarte*. Eine Reisegeschichte im Miniaturformat sozusagen.
Solche Geschichten leben von der Beobachtung, der du zum Beispiel auf öffentlichen und belebten Plätzen nachgehen kannst. Sie halten einen Moment fest, zeigen Figuren, die du nicht kennst, aber über die du Annahmen treffen kannst. Sie transportieren Atmosphäre und entdecken vielleicht sogar das Vertraute in der Fremde des Reiselands.
In drei Schritten zur Postkartengeschichte
1. Postkarte: Kaufe sie direkt auf Reisen und wähle das Motiv sorgfältig aus. Der Text kann gerne in Beziehung oder in Spannung zum Bild stehen. Von zu Hause aus funktioniert es auch: Sicher findest du einige Urlaubskarten in der Schublade oder schaust einmal nach Kartenständern in deiner Stadt.
2. Sammeln: Notiere unterwegs kurze Szenen, Beschreibungen von Figuren und Orten, Ortsnamen, Dialogfetzen, spontane Empfindungen und fotografiere, um dich besser zu erinnern.
3. Sortieren und schreiben: Schreibe die Geschichte direkt auf der Reise oder erst später zu Hause, wenn sich die Eindrücke gesetzt haben.
Auf Straßenmärkten zu finden: Postkarten und Kunstwerke.
Beispiele für Themen und Szenen
- Die Straßenkünstlerin, die Postkarten mit Aquarellfarben malt.
- Die Französin, die neben dir am Frühstückstisch sitzt und ihre Brötchenhälfte auseinanderzupft, sie zuerst mit dem Messer mit Butter bestreicht und dann mit einem kleinen Löffel die Marmelade darauf verteilt.
- Der Regen, der dich beim Spaziergang durch die Altstadt überrascht und wie die Menschen um dich herum improvisierte Schirme über ihre Köpfe halten.
Schreibprojekt: Postkartengeschichten
Aus Postkarten lässt sich prima ein Schreibprojekt machen, das dich auf jeder Reise begleitet. Von jeder Reise bringst du dir selbst eine Postkarte mit und beschreibst die Karte vor Ort oder zu Hause mit einer Geschichte. Oder du schreibst an jedem Tag deiner Reise eine neue Geschichte. So erstellst du eine Fortsetzungserzählung auf Ansichtskarten.
Lesetipp: Im Erzählband Wir haben Raketen geangelt erzählt Karen Köhler die Geschichte „Polarkreis“ mittels Ansichtskarten, die der Postkartenschreiber an ein Du verschickt.
*Angeregt zu dieser Schreibübung hat mich Hanns-Josef Ortheils Ratgeber Schreiben auf Reisen.
von Ann-Christin | 25. Juli 2018 | Impulse
Kurzgeschichten haben es nicht leicht bei den Leser*innen. Allzu oft ziehen sie den Roman vor. Doch warum eigentlich? Scheinen Kurzgeschichten doch die Antwort auf den hektischen Alltag, die wenige Zeit und das Lesen für zwischendurch zu sein.
Kurzgeschichten sind kein Literatursnack
Die Textlänge steckt den Kurzgeschichten bereits im Namen: Sie sind kurz. Was auf den ersten Blick schnell zu lesen scheint, ist im gleichen Atemzug ihre größte Herausforderung: Komprimiert auf wenigen Seiten muss der Leser aufmerksam sein.
Man sagt, die Kurzgeschichte ist für den Leser und den Autor gleichermaßen anstrengend. Die Texte sind atmosphärisch dicht geschrieben und enthalten Leerstellen. Für den Leser bedeutet es, dass er mehr zwischen den Zeilen lesen muss.
Wenn Leser*innen keine Kurzgeschichten mögen, dann antworten sie, dass es ihnen schwer fällt, sich in der kurzen Zeit auf die Geschichte einzulassen. Sind sie dann eingetaucht, ist die Geschichte schon zu Ende. Sie müssen die Figuren ziehen lassen und sich mit einem oftmals offenen Ende zufrieden geben.
Kurzgeschichten unterwegs lesen
Als Antwort auf unsere gestiegene Smartphone-Nutzung gehen manche Verlage neue Wege. Voland & Quist zum Beispiel mit der App A Story A Day Die Idee: Jeden Tag gibt es eine neue Kurzgeschichte aufs Smartphone – bezahlt wird per Monats-Abo.
Inzwischen steht auf der Verlagsseite, dass sie die App nach vier Jahren einstellen mussten. Das Interesse war nicht so groß wie erhofft und die Kurzgeschichten gingen ihnen aus. Im Google Playstore kommentierte eine Leserin, dass sie keine Zeit mehr dafür hätte. Keine Zeit zu haben – das ist bezeichnend für unsere Zeit und macht es der Kurzgeschichte schwer.
Natürlich es gibt weitere (digitale) Angebote für die kurzen Lesemomente: Die Reihe Textlicht von Edition Atelier oder Texte aus dem Verlag mikrotext. Doch so sehr die Idee auch einleuchtet, Kurzgeschichten zwischendurch, unterwegs in der Straßenbahn oder im Wartezimmer zu lesen, so wenig scheint sie in den Alltag zu passen. Denn mal ehrlich: Zücken wir während Wartezeiten nicht eher das Smartphone für Messenger, Mails und Musik?
Zeit für Kurzgeschichten nehmen
Unser Zeit- und Weltempfinden entscheidet darüber, ob wir gerade lieber einen Roman oder Kurzgeschichten lesen. So hat es bereits Marcel Reich-Ranicki in der FAZ (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11.02.2007, Nr. 6 / Seite 28) beschrieben:
Je schneller und hastiger unser Alltag, desto stärker unser Bedürfnis nach Ruhe, je spürbarer die Unsicherheit, desto heftiger die Sehnsucht nach Entspannung und Entrückung, nach Schutz, nach, altmodisch ausgedrückt, Geborgenheit. Dies jedoch beeinträchtigt im selben Maße die Erfolgschancen der Kurzgeschichte, wie es diejenigen des Romans begünstigt.
Sein Fazit lautet:
Wer es eilig hat, greife zu Romanen. Für Kurzgeschichten muss man Zeit haben.
Serielles Erzählen ist im Trend
Während wir immer weniger Zeit zum Lesen haben, sind mehrbändige Fantasyromane beliebter denn je. Was wie ein Widerspruch klingt, lässt sich mit dem Bedürfnis nach Rückzug erklären. In Romanen können es sich die Leser*innen bequem machen, den Fortsetzungen entgegen fiebern, die Figuren wachsen sehen und immer wieder in die vertraute Szenerie zurückkehren. Es ist das gleiche Bedürfnis, das die Serien der Video-Streaming-Anbieter bedienen. Was kann die Kurzgeschichte dagegen halten?
Die Kurzgeschichte belohnt den aufmerksamen Leser
Obwohl sie so kurz ist, lässt sich die Kurzgeschichte nicht weglesen wie einen Roman. Zwischen den Geschichten in einem Band brauchen wir einen Moment zum Durchatmen. Die Kurzgeschichte bietet im Tausch gegen unsere Zeit: Ein langsames Lesen, kein konsumieren. Ein aufmerksames Lesen und keine durchgelesenen Nächte oder verpasste Stationen in der Straßenbahn. Ihr Platz ist der Nachttisch, auf dem sie lange herum liegt, und nicht die Tasche für unterwegs.
Die Kurzgeschichte belohnt uns mit einem Moment, der in uns nachhallt. Ein Gedanke, der zum Weiterdenken anregt, nachdem wir die Geschichte zu Ende gelesen haben. Sie belohnt uns mit neuen Autoren, die wir in einer Anthologie entdecken oder mit dem Romanautoren, den wir in seinen Kurzgeschichten von einer anderen Seite lesen.
Was ist mir dir: Liest du gerne Kurzgeschichten?
Zu welchen Literaturformaten greifst du, wenn du wenig Zeit zum Lesen hast?
von Ann-Christin | 8. Juli 2018 | Impulse
Mit seiner gigantischen Auswahl an Bildern und Pinnwänden vereint Pinterest alle Vorzüge, die es unter Autor*innen zu einem beliebten Tool für Storyboards macht.
Im zweiten und letzten Teil meiner Artikelserie findest du eine Anleitung, wie du ein Storyboard mit Pinterest erstellst und mit welchen Tipps und Tricks du passendes Bildmaterial findest.
Was ein Storyboard ist und in welchen Schreibphasen es dich unterstützt, liest du in meinem ersten Artikel der Serie: Das Storyboard als Planungstool für dein Schreibprojekt.
So funktioniert Pinterest
Pinterest ist eine visuelle Suchmaschine, in der es vor Bildern, Ideen und Inspiration nur so wimmelt. Sie funktioniert nach dem Pinnwand-Prinzip: Ein Nutzer erstellt eigene virtuelle Pinnwände und pinnt dort alles an, was er zu einem Thema oder Projekt sammeln möchte.
Pins sind Bilder hinter denen Texte und Links stehen; du findest sie innerhalb der Pinterest-Suche. Es gibt außerdem die Möglichkeit, eigene Pins zu erstellen, indem du Bilder bei Pinterest direkt hochlädst. Oder du bringst fremden Content zu Pinterest, indem du Artikel, Webseiten oder Bilder auf Pinterest teilst beziehungsweise pinnst.
Zu den klassischen Pinterest-Themen zählen Rezepte, DIY-Anleitungen, Interior und Mode. Inzwischen sind viele weitere und auch Nischenthemen hinzugekommen. Es gibt also Bildmaterial jeglicher Art für dein Storyboard.
In fünf Schritten zum Storyboard mit Pinterest
Hast du bereits einen Account bei Pinterest, kannst du sofort loslegen.
1. Pinnwand erstellen
Auf deinem Profil im Bereich Pinnwände erstellst du mit Klick auf “Pinnwand erstellen” ein Board. Gib dem Projekt einen Titel und stelle es auf geheim, wenn du nicht willst, dass das Board für andere sichtbar ist, solange du noch daran arbeitest.
2. Pins suchen und pinnen
Nun beginnt der schöne Teil: suchen und pinnen. Gib einen Suchbegriff in das Feld ein: das können Ortsnamen, Jahreszeiten, Menschen, Tiere, bestimmte Kleidungsstücke, Gegenstände, Stimmungsbilder, Szenen und Zitate sein.
Falls die Ergebnisse nicht ganz deinen Vorstellungen entsprechen, schau dir die Adjektive und Begriffe an, die oberhalb der Suchergebnissen erscheinen. Mit diesen kannst du deine Suche weiter eingrenzen.
Je nach Filter durchsucht Pinterest einzelne Pins, doch du kannst die Suche auf Pinnwände ausweiten. So gelangst du zu den Boards anderer Nutzer und vielleicht wirst du in deren Sammlung fündig – denn Pinterest lebt vom Pinnen und Repinnen.
3. Pins suchen mit der Mehr davon-Funktion
Falls diese Bilder deiner Vorstellung nahe kommen, sie aber noch nicht treffen, dann klick auf eines der Bilder und sieh dir die Vorschläge unterhalb unter Mehr davon an. Klick auf einen der Vorschläge und schau wieder unter Mehr davon. So tauchst du immer tiefer ein in eine Szenerie oder bestimmte Stimmung und näherst dich dem passenden Bild an.
Hast du passende Bilder gefunden, pinnst du sie, indem du auf den roten Merken-Button klickst und deine Pinnwand auswählst.
4. Echtzeit-Suche mit Pinterest Lens
Du suchst gerne unterwegs nach Inspiration für deine Geschichten? Auch dafür hat Pinterest eine Lösung. Einfach in der Pinterest-App auf dem Smartphone auf das Kamerasymbol in der Suchleiste klicken und einen umliegenden Gegenstand oder potenziellen Schauplatz für deine Geschichte fotografieren. Und schon schlägt Pinterest dir auf dieser Basis ähnliche Pins vor.
5. Pins sortieren
Ist dein Board gut mit Bildern gefüllt, kannst du nun per Drag-and-Drop die Reihenfolge der Pins verändern und sie zum Beispiel chronologisch sortieren. Du kannst außerdem über die Bearbeitungsfunktion die Beschreibung der Pins verändern und an deine Geschichte anpassen, z. B. Namen der Figuren und Orte eintragen, Dialoge oder einzelne Sätze aus deiner Geschichte.
Tipps für die Bildersuche von Figuren
Das schwierigste an der Bildersuche sind die Figuren. Oft finden sich bei Pinterest nur Einzelbilder von einer Figur, dabei benötigt ein Storyboard mehrere, um die Figur im Laufe der Geschichte darzustellen. Weichst du auf ähnlich aussehende Menschen aus, sieht es aus, als ob die Geschichte von vielen verschiedenen Figuren handelt.
Hierzu habe ich einen Tipp bei Writing One Word At A Time im Video How to create a storyboard on Pinterest gefunden: Suche nach Schauspielern, Models, Sportlern oder anderen Menschen des öffentlichen Lebens, die den Figuren deiner Geschichte ähneln. So findest du genügend Material von derselben Figur in unterschiedlichen Szenen und Posen.
Wenn du noch gar nicht so genau weißt, wie deine Figuren aussehen, starte mit dem englischen Suchbegriff Character Inspiration in Pins und Pinnwänden – so findest du Porträt-Fotografien und -Zeichnungen.
Her mit der Inspiration: Storyboards auf Pinterest
Probiere es doch einmal anders herum und nutze fremde Storyboards als Schreibübung und entwickle aus den Bildern einen Text.
Hier sind Pinnwände mit Storyboards anderer Schriftsteller, von denen du dich inspirieren lassen kannst. Denn das Gute ist: Aus der gleichen Grundidee erschafft jeder etwas eigenes und in den gleichen Bildern sieht jeder etwas anderes.
Haben die Boards dein Kopfkino zum Laufen gebracht? Hast du bereits eigene Storyboards mit Pinterest angelegt? Dann verlink sie gerne in den Kommentaren!
PS: Bilder, Szenen und Storyboards als Schreibanregung findest du auf meinen Pinterest-Boards.
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