Auf die eine oder andere Weise tragen wir immer Bilder in unseren Köpfen herum. Beim Erinnern, Tagträumen, beim Lesen und Schreiben. Gehörst du zu den visuellen Schreibern, lohnt es sich, Bildersammlungen anzulegen und für deine Schreibprojekte ein Storyboard.
Was ein Storyboard ist und wie es dir beim Schreiben hilft, liest du hier.
Dies ist der Auftakt zu einer zweiteiligen Artikelserie.
Ist ein Text anschaulich geschrieben, sorgt unsere Vorstellungskraft für das Kopfkino während wir lesen. Vielleicht geht es dir bereits beim Schreiben so: Du denkst über deinen Text nach, suchst Ideen und dabei spielt sich ein Film oder eine kurze Szene in deinem Kopf ab noch bevor die ersten Worte geschrieben sind.
Um genau diesen Moment geht es: Die Bilder, die dich ins Schreiben bringen und die Worte fließen lassen. Damit du nicht lange nach ihm suchen musst, hilft dir ein Storyboard.
Was ist ein Storyboard?
Das Storyboard ist ein visuelles Konzept für einen Film, in dem die Abfolge aller geplanten Szenen und Kameraeinstellungen dargestellt ist, noch bevor er in Produktion geht.
Es erinnert an ein Comic und enthält mitunter zusätzliche Informationen zur Dauer der Szene, zu den Charakteren und Schauplätzen. Das Drehbuch mit seinen Dialogen liegt zu diesem Zeitpunkt bereits vor – das Storyboard ist also eine grafische Version davon.
Beispiel für ein Storyboard:
Foto: Cortos D.C. / flickr.com
Das Storyboard für verschiedene Phasen im Schreibprozess
Was für die Filmproduktion gilt, lässt sich auf das Schreiben anwenden: Um zum fertigen Text zu kommen, beginnst du mit dem Storyboard. Es unterstützt dich während der unterschiedlichen Phasen im Schreibprozess, wie zum Beispiel:
1. Ideen finden und weiterentwickeln
In dieser Phase kombinierst du Bilder von Figuren, Orten, Gegenständen, Zitaten, Dialogfetzen und Szenen. Die Reihenfolgen kannst du dabei verschieben, Ideen miteinander ausprobieren und die Handlung mehr und mehr verdichten.
2. Plotten und Planen
Das Storyboard ist ein prima Tool fürs Plotten. Entweder du entwickelst beim Storyboarden den Plot oder wandelst einen vorliegenden Plot in ein Storyboard um. So visualisierst du deine Schreibidee, behältst den Überblick über die Storyline, erkennst frühzeitig Logikfehler und holprige Übergänge.
3. Leitfaden beim Schreiben
Hast du ein ausgearbeitetes Storyboard vor dir liegen, kannst du dich beim Schreiben daran orientieren. Du weißt, welche Szenen aufeinander folgen und kannst das Schreiben des Rohtextes auf verschiedene Schreibzeiten verteilen.
Ausblick: Ein Storyboard erstellen
Wie und mit welchem Hilfsmittel du ein Storyboard für dein Schreibprojekt erstellst, erfährst du in Teil zwei der Serie. So viel sei schon einmal gesagt: Ein Zeichentalent brauchst du dafür nicht zu sein – Bilder zu sammeln und sortieren genügt bereits.
Prag – Praha. Da bin ich also in der Stadt an der Moldau, in der Franz Kafka geschrieben und die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat. In einem Zitat von Eichendorff heißt es: „Wer einen Dichter recht verstehen will, muß seine Heimat kennen“. Und so habe ich mich aufgemacht, Prag zu entdecken und eine literarische Annäherung zu schreiben an diese Stadt und ihren bekanntesten Schriftsteller.
Ein Spaziergang durch die Prager Altstadt
Meine erste Begegnung mit Prag sind Straßenschilder mit verschluckten Vokalen: Hrad, Mlýný, Hřbitov. Auf die frühere Zweisprachigkeit weist nichts mehr hin. Alles ist auf tschechisch ausgeschildert, selbst die Sehenswürdigkeiten für die vielen Touristen. Ich starte am Platz der Republik. Touristen schwemmen die Straße vom Altstädter Ring bis zur Karlsbrücke. Es ist ein Stimmengewirr aus spanisch, französisch, englisch, chinesisch und tschechisch. Schnell wird mir klar, dass ich Prag in den nächsten Tagen nicht für mich alleine haben werde.
Kafkas Prag im frühen 20. Jahrhundert
Franz Kafka (1883 – 1924) wuchs in einem Prag auf, in dem Tschechen, Juden und Deutsche zusammen lebten, wobei die Deutschen eine Minderheit darstellten. Als Jude gehörte er damit einer doppelten Minderheit an. Auch wenn das meiste posthum und gegen seinen Willen an die Öffentlichkeit gelangte (sein Freund und Schriftsteller Max Brod veröffentlichte seinen Nachlass), gehört das Werk Kafkas zum Kanon der Weltliteratur. Bis heute werden seine Erzählungen und insbesondere Die Verwandlung in den Schulen gelesen.
Innerhalb Prags stehen sie fast alle noch und sind fußläufig zu erreichen: Das (wiedererrichtete) Geburtshaus am Franz-Kafka-Platz, die Wohn- und Arbeitshäuser. Da wären die ehemaligen Geschäftsräume von Kafkas Vater im Kinský-Palais am Altstädter Ring, Kafkas Gymnasium auf der Rückseite und nicht weit davon entfernt das Haus Minutá, in dem Kafka mit seiner Familie lebte. Eines seiner Arbeitszimmer befand sich im Goldenen Gäßchen, auch bekannt als Alchemistengasse mit der Nr. 22 und lässt sich auf dem Hradschin besuchen.
Kafka als verbotener Autor
Dass sich seine Spuren in Prag so gut nachverfolgen lassen und sichtbar sind, ist nicht selbstverständlich. Denn es gab ein ”politisch verordnete[s] Totschweigen”, wie Wolfgang Dömling es bezeichnet. Kafkas Werk wurde während der Zeit des Nationalsozialismus und später im kommunistischen Tschechien verboten. Mit der Rehabilitierung 1963 auf der so genannten Kafka-Konferenz öffnete sich Prag allmählich für den Schriftsteller. Sein Werk ist nun vollständig ins Tschechische übersetzt worden und die Franz-Kafka-Gesellschaft widmet sich seiner Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.
Spurensuche im Franz-Kafka-Museum
Was wäre Prag ohne Kafka? Oder anders gefragt: Was wäre Kafka ohne Prag? Dieser Frage widmet sich die Dauerausstellung Die Stadt von K.: Franz Kafka und Prag. Auf der Kleinseite, nahe der Moldau gelegen, befindet sich das Franz-Kafka-Museum. Es wurde 2005 gegründet und als Ausstellungsraum dient der Dachboden einer Ziegelei.
Im Museum ist es dunkel. Das Licht ist aus und lediglich die Tische und Glaskästen werden angestrahlt. Zwischen den Ausstellungsstücken ist das Gebälk des Dachbodens sichtbar. Es herrscht eine düstere, beklemmende Atmosphäre, die gleichzeitig das Gefühl weckt, hier Schätze heben zu können. Zitate zieren die Wände, der Stammbaum und die Wohnorte in Prag werden nachgezeichnet und hinter Glas liegen Kafkas Briefe und Korrespondenz mit Behörden sowie Erstausgaben seiner Bücher. Die Rezeption seines Werks ist ebenso Thema wie Kafkas Beziehungen und Verlobungen, die Bürokratie und seine Erwerbsarbeit bei der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt.
Kafkas Leben und Literatur als Rätsel
Die Ausstellung wirft Schlaglichter auf Kafkas Leben. Ein Leben für das geschriebene Wort und die Literatur, das ihn, so suggeriert es die Ausstellung, letztendlich auch isoliert hat. Prag und Kafka. Eine Stadt, von der er nie fortkam und er, der sich immer wieder fürs Schreiben entschieden hat – und sich zwischen schriftstellerischem Schaffen und seinem Brotberuf zerrieben hat:
Mein Posten ist mir unerträglich, weil er meinem einzigen Verlangen und meinem einzigen Beruf, das ist der Literatur, widerspricht. Da ich nichts anderes bin als Literatur und nichts anderes sein kann und will, so kann mich mein Posten niemals zu sich reißen, wohl aber kann er mich gänzlich zerrütten.
Franz Kafka, Tagebücher 1910 – 1923
Vieles bleibt rätselhaft. Im Museum begegnet mir mehrmals der Begriff enigma, das Rätsel. Und vielleicht passen hierzu Willy Haas’ Worte über Kafka am besten:
Ich kann es mir nicht vorstellen, wie irgendein Mensch ihn überhaupt verstehen kann, der nicht in Prag und nicht um 1890 und 1880 geboren ist.
Willy Haas, Begründer der Zeitschrift „Die literarische Welt“
Mit ihrer geheimnisvollen Atmosphäre samt zugehörigem Soundtrack macht die Ausstellung vor allem eins greifbar: das Kafkaeske.
Prag als touristische Weltstadt
Zurück in der Altstadt duftet es während meines Spaziergangs alle paar Schritte nach Zimt und Holzkohle. Es sind Trdelník, mit Zucker und Zimt bestäubte Baumstriezel, die auf langen Rollen über der Kohle backen. Sie werden serviert mit Vanille-Softeis in der Mitte und sind der Kassenschlager in den Gassen. Ich kaufe mir eins und laufe weiter. Bei einer Straßenmusikerin bleibe ich stehen. Sie sitzt auf einem Hocker, auf ihren Beinen liegt ein Instrument. Zwei aufeinanderliegende Schalenhälfte, die wie der Panzer einer Schildkröte aussehen. Mit den Handflächen schlägt sie rund herum auf die Einkerbungen. Sanfte Melodien füllen die Straßen und locken Menschen an. Das Instrument nennt sich Hang, wie ich später herausfinde. Das Video der Musikerin kann ich mir zu Hause auf YouTube ansehen, weil es einer der filmenden Touristen online gestellt hat.
Prag damals und heute
Das touristische Treiben in Prag mag nichts mit Kafkas Prag zu tun haben. Doch beim Betrachten von schwarz-weiß Bildern zu Kafkas Zeiten scheint sich nicht allzu viel geändert haben. Die Bauten sehen heute genauso herrschaftlich aus, mit dem Unterschied, dass die Fassaden inzwischen mehrmals restauriert und herausgeputzt wurden. Geschichtsträchtig und doch irgendwie zeitlos. Dieses Gefühl habe ich, wenn ich mich in Prag umsehe. Und genau so sollte Weltliteratur sein.
Quellen und weiterführende Literatur
Dömling, Wolfgang (2011): Prag. Literarische Spaziergänge. Berlin: Insel Verlag.
Kafka, Franz. Tagebücher 1910 – 1923.
Roth, Joseph (2012): Heimweh nach Prag. Feuilletons, Glossen, Reportagen für das Prager Tagblatt. Göttingen: Wallstein Verlag.
Wagenbach, Klaus (1993): Kafkas Prag. Ein Reiselesebuch. Berlin: Klaus Wagenbach.
Ich stehe in der Mittagssonne vor den Büchertischen und lasse meine Finger über die Buchränder wandern. Dabei kippe ich sie um wie Dominosteine, lasse Buchdeckel an Buchdeckel klappen auf der Suche nach nichts Bestimmten. Es war ein Zufall, der mich an diesem Samstag zu diesem Bücherflohmarkt geführt hat. Genauso absichtslos nehme ich die Bücher in die Hand.
Fundstücke auf dem Bücherflohmarkt
Zwischen vielen unbekannten Titeln entdecke ich meine alten Bücher in genau den Ausgaben, die einmal in meinem Regal standen. Irgendwann habe ich sie ungelesen weitergegeben, weil ich erkennen musste, dass ich sie wahrscheinlich nie lesen werde. Ich blättere mich durch vergilbte Seiten und stoße auf eine handgeschriebene Widmung. Einfach so steht sie da, mit schwarzem Kugelschreiber geschrieben, verewigt auf Seite eins. „Hals- und Beinbruch, sowie eine gute (Bruch-?) Landung wünscht dir kein anderer als Philipp“, lese ich.
Ich schmunzle über die Widmung, diese pointierten Wünsche für eine bevorstehende Reise. Es sind Worte, die nicht für mich bestimmt sind und für niemanden sonst. Bücher wie diese begegnen mir oft, da ich die meisten meiner Bücher gebraucht kaufe.
Widmungen erzählen Geschichten
Bei solchen Büchern stelle ich mir immer dieselben Fragen: Warum bloß wurde es weggegeben? Ist das Buch eine Erinnerung, die nichts mehr wert ist? An eine Liebe oder eine Freundschaft vielleicht. Ist es ein Buch, das erst verliehen und dann vergessen wurde? Ist es über eine Haushaltsauflösung in das Antiquariat gekommen, gebracht von den Enkeln oder Kindern in einem Umzugskarton?
Das Eigenleben der Bücher
Ich stöbere weiter und entdecke ein schmales Büchlein vom Eigenleben der Widmungen und den Geschichten, die sich daraus entspinnen lassen. In Jana Volkmanns Erzählung Fremde Worte flüchtet sich eine einstige Leserin in diese Widmungen.
Hanna hatte aufgehört, Romane zu lesen, und angefangen, Widmungen zu lesen. […] Sie hatten nur einen einzigen Adressaten, sie waren immer bloß für dich […].
Auf der Suche nach solchen Widmungen streift sie durch die Antiquariate und Flohmärkte Berlins. “Erst ganz zum Schluss schlug sie wie beiläufig, wie versehentlich die leere Seite zwischen Impressum und Vorwort auf. Und dann die leeren Seiten innen am Buchdeckel.”
Ein wenig ertappt fühle ich mich und lese weiter in den Geschichten um die Geschichte, den kleinen Schätzen aus Alltagsbeobachtungen und beschließe, es mitzunehmen.
Bücher und Geschichten auf Reisen
Da stehe ich also auf einem Umschlagplatz der Geschichten. Denke nach, über dies und jenes und Hanna, während ich meine drei ausgesuchten Bücher beim Standbesitzer bezahle. Was die Widmungen bedeuten, das wissen nur das Du und das Ich und wie sie auf den Flohmärkten gelandet sind, weiß sicher nur der Beschenkte. Meine Bücher haben noch nicht ihren letzten Besitzer gefunden. Eines Tages werde ich manche von ihnen freigeben und wer weiß, vielleicht landen sie dann auf einem dieser Bücherflohmärkte und jemand kauft sie wegen der Widmung.
Quellen und weiterführende Literatur
Volkmann, Jana (2014): Fremde Worte. Textlicht Band 9. Wien: Edition Atelier.
Als ich einmal ein Mädchen dabei beobachtet habe, wie es im Senckenberg Museum Skizzen von einem Dinosaurier-Skelett anfertigte und darin vollkommen versunken war, habe ich mich gefragt, ob das Museum nicht auch ein guter Ort für das Schreiben sein kann. Ich nahm mir die diesjährige Nacht der Museen in Frankfurt am Main zum Anlass, um in kurzer Zeit mehrere Ausstellungen zu besuchen, durch Gänge zu streifen und dabei Eindrücke und Ideen zu notieren.
Was macht das Museum zu einem guten Schreibort?
Museen sind Orte voller Geschichten. Sie blicken in die Vergangenheit und erzählen dabei von unserer Gegenwart. Sie geben Antworten und werfen gleichzeitig neue Fragen auf. Sie geben Impulse und schulen das Beobachten. Nicht zuletzt deshalb bieten Museen Kurse für Kreatives Schreiben vor Ort an.
Falls du noch nicht in einem Museum geschrieben hast, ermuntern dich diese Gründe bestimmt dazu.
1. Konzentration und unvergleichliche Atmosphäre
Bereits beim Betreten entfaltet ein Museum seine Wirkung. Hohe Decken, galerieartige Treppenaufgänge, verwinkelte Gänge. Nirgendwo sonst entfliehst du dem Alltag und der Stadt schneller. Nirgendwo sonst bist du mehr bei dir und das trotz der Nebengeräusche. Alles verschwimmt zu einem Grundrauschen. Die knarrenden Holzdielen, die Schritte, die einen Hall in den Räumen hinterlassen, das Murmeln einer kleinen Gruppe. Du tauchst ab auf eine gedankliche Reise und lässt dich treiben. Für das Schreiben eignen sich Sitzbänke oder weniger belebte Nischen. Nimm dir Zeit für deine Gedanken und Empfindungen, die die Ausstellung bei dir auslöst, um dich ganz nach innen zu wenden und zu konzentrieren.
2. Fragen, Antworten und Gedankenanstöße
Eine gute Ausstellung gibt Antworten, aber sollte unbedingt neue Fragen stellen. Nimm diese Fragen mit und trage sie eine Weile mit dir herum. Das Museum ist ein Ort, der Assoziationen weckt und Gedanken miteinander verknüpft. Ausstellungen, die ein Thema aus mehreren Perspektiven beleuchten, sind ein wahrer Fundus für Ideen. Die Nacht-Ausstellung des Museum für Kommunikation erzählt unter anderem vom Nachtleben, Schlaflosigkeit, Sternenhimmel, Nachtarbeit, Lichterfesten und nächtlichen Angstgestalten. Jedes Thema für sich genommen bietet genügend Anregungen, doch vielleicht hat dir ein Thema gefehlt und du erweiterst die Ausstellung kurzerhand selbst auf dem Papier.
3. Beobachten und neue Eindrücke notieren
Im Museum gibt es viel zu sehen und teilweise auch zum Anfassen: Gemälde, Skulpturen, Videos oder Installationen. In all diesen sinnlichen Eindrücken steckt Stoff für Geschichten oder Figuren. Der Schlüssel dazu ist das Beobachten. Du könntest einen Gegenstand in eine Geschichte verweben oder dir das Aussehen oder (vermutete) Eigenschaften einer Figur aus einem Gemälde zu eigen machen. Wie du dich von Kunst zum Schreiben inspirieren lässt, erkläre ich in einem anderen Artikel.
Was das Museum als Schreibort außerdem interessant macht, sind die anderen Besucher*innen. Setz dich für eine Weile hin und beobachte das Treiben: Was machen eigentlich die anderen?
4. Dialoge mit Künstler*innen und Besucher*innen
Ist es nicht spannend zu erfahren, wie andere Künstler*innen arbeiten und zu ihren Themen gefunden haben? Viele Ausstellungen setzen sich am Rande mit der Biografie, den (Lebens-)Themen und dem Schaffensprozess der Künstler*innen auseinander. Das sind Einblicke, die dich dazu anregen, über deinen eigenen Schreibprozess und dein Schaffen nachzudenken.
Mit den Künstler*innen vor Ort ins Gespräch zu kommen, ist eher unwahrscheinlich, doch bietet eine Ausstellung genug Stoff, um sich mit anderen Besucher*innen, seiner Begleitung oder innerhalb einer Museumsführung auszutauschen.
5. Wissen und Wortschatz erweitern
Frei nach einem Zitat von Thomas Jefferson* gilt für die eigene Weiterentwicklung: Wenn du immer dorthin gehst, wo du schon warst, wirst du immer dort bleiben, wo du bist. In einem Museum lernst du immer etwas Neues: Wörter, historische Ereignisse, Zusammenhänge, Meinungen, Perspektiven, Persönlichkeiten, fremde Kulturen. Es lohnt sich daher auch Ausstellungen zu besuchen, die auf den ersten Blick für dich untypische Themen behandeln – doch damit eröffnet sich dir ein Zugang zu neuen Welten.
Digitales Museum für zu Hause
Für alle, die eine Ausstellung verpasst haben oder sich vorab ein Bild von ihr machen zu können, lassen sich Ausstellungen auch online von zu Hause entdecken. Immer mehr Museen stellen online ein umfangreiches Material zur Verfügung. Für die Ausstellung O Sentimental Machine von William Kentridge hat das Liebighaus in Frankfurt ein Digitorial zusammengestellt. Das Museum für Kommunikation hat einen so genannten Expotizer zur Ausstellung Die Nacht. Alles außer Schlaf.
Nach dem Besuch
Woran möchtest du dich nach einem Museumsbesuch erinnern? Damit die Ausstellung nicht so schnell an dir vorüber zieht, notiere dir abschließend ein kurzes Fazit. Wie zum Beispiel den Namen des Gemäldes, das dich am meisten beeindruckt hat oder den Raum, in dem du am meisten Zeit verbracht hast. Worüber möchtest du mehr erfahren und später weiter recherchieren?
Hast du schon einmal im Museum geschrieben?
Welche Erfahrung hast du gesammelt? Kommt das Museum für dich als Schreibort überhaupt infrage? Berichte mir gerne davon in den Kommentaren.
* If you want something you’ve never had
You must be willing to do something you’ve never done.
Ein Geheimtipp sind die Morgenseiten von Julia Cameron schon lange nicht mehr. Tausche ich mich mit anderen Schreibenden aus, so fallen sie irgendwann. Entweder, weil der- oder diejenige keinen Nutzen in ihnen gefunden hat oder es gibt die fleißigen Anwender. Doch es sich lohnt, den Morgenseiten eine (zweite) Chance zu geben und sich bewusst zu machen, wie sie beim Schreiben helfen können und wo ihre Grenzen liegen.
So funktionieren die Morgenseiten
Die Morgenseiten (im Original: Morning Pages) sind in erster Linie eine Methode und tägliches Ritual, um kreative Blockaden zu lösen und den Schaffensprozess anzuschieben.
Für Morgenseiten gelten überschaubare Regeln:
Beschreibe morgens direkt nach dem Aufwachen drei Seiten, idealerweise DIN A4-Seiten,
unbedingt handschriftlich,
ohne abzusetzen und mit allem, was dir gerade durch den Kopf geht.
Es geht darum, einen Schreibfluss zu erzeugen und sich ganz auf sich und das Schreiben zu fokussieren. Die Erfinderin der Morgenseiten, Julia Cameron, ist überzeugt, dass hier alles zu Papier kommt, was zwischen dir und deiner Kreativität steht. Dabei ist es egal, welche kreative Arbeit du ausübst oder ausüben möchtest. Cameron hat die Morgenseiten nicht ausschließlich für Schriftsteller entwickelt, sondern für alle Menschen, die kreativ arbeiten und auch die, die sich nicht darüber im Klaren sind, dass sie dies überhaupt können.
Die Morgenseiten als kreative Schreibtechnik
Methodisch betrachtet, sind die Morgenseiten eine Form des Assoziativen Schreibens. Ähnlich dem Freewriting und dem Automatischen Schreiben wird ohne Vorgaben drauflos geschrieben. Alles, was dir auch nur irgendwie in den Sinn kommt, schreibst du auf. Da du mit der Hand schreibst, synchronisieren sich deine Gedankengänge mit der Geschwindigkeit deiner Hand. Dir kommen vielleicht Gedanken, was heute alles ansteht, für den Tag geplant ist, vielleicht hängst du noch in dem Gefühl des Aufwachens fest, notierst Eindrücke und Fetzen deiner Träume, die dich wieder zu anderen Gedanken führen.
If you have a problem and you take it into Morning Pages, you will be given a sense of a possible next step. – Julia Cameron
Je öfter du Morgenseiten schreibst, desto routinierter wirst du. Mal sind die Seiten zäh, wiederholend, mal erreichen deine Gedanken eine gewisse Tiefe und du fühlst stärker in dich hinein. Vielleicht kommen immer wieder dieselben Themen zur Sprache. Das mag langweilig erscheinen und hier gelangen manche Morgenschreiber*innen an den Punkt, an dem sie aufhören. Doch mit der Zeit stellt sich Klarheit ein und wenn sich ein Gedanke immer wieder in den Vordergrund drängt, können die Morgenseiten auf diese drängenden Fragen die Antworten geben und dich zum Handeln bringen.
Gegen Blockaden und den inneren Kritiker anschreiben
Indem du schreibst, ohne den Stift abzusetzen, hast du keine Zeit, nach Formulierungen zu suchen. Stattdessen schreibst du alles so auf, wie es dir in den Sinn kommt, inklusive Sätzen und Fragmente, die du nicht zu Ende denkst, weil dir vielleicht etwas anderes eingefallen ist. Das ist gut, denn so gewöhnst du dich daran, das Geschriebene nicht zu bewerten.
The Morning Pages will teach you to stop judging and just write. – Julia Cameron
Der innere Kritiker und eine voreilige Bewertung der Gedanken sind die Ursachen für Schreibblockaden schlechthin. Die Morgenseiten blenden den inneren Kritiker aus, oder den Zensor, wie Cameron ihn nennt, und helfen gegen den Perfektionszwang oder einen überhöhten Anspruch an erste Entwürfe oder das eigene Schaffen generell.
We are training our Censor to stand aside and let us create. – Julia Cameron
Helfen die Morgenseiten für das eigene Schreiben?
Es ist wichtig zu verstehen, dass das Schreiben der Morgenseiten nicht mit einer Schreibübung gleichzusetzen ist. Sie sind eine Kreativmethode, mit der du dich frei schreibst von gedanklichem Ballast. Alles was du aufgeschrieben hast, ist raus aus deinem Kopf und es gibt mehr Platz für deine Kreativität und eigenen Geschichten. Es kann sein, dass dir während der Morgenseiten Einfälle kommen, wie du eine Szene gestalten kannst. Vielleicht fällt dir etwas ein, was du Tage zuvor beobachtet hast und worüber du eine Geschichte schreiben könntest. Sie können dir aber auch Ideen geben, was du alles gerne in deinem Leben ausprobieren oder verändern möchtest. Je ehrlicher du bist, desto stärker wirst du profitieren.
Den größten Nutzen der Morgenseiten sehe ich darin, sich an das Schreiben ohne zu korrigieren zu gewöhnen. Das erleichtert, den ersten Entwurf herunterzuschreiben und ihn als solchen anzuerkennen. Außerdem habe ich nach Jahren des Morgenseiten-, Journal- und Tagebuchschreibens bemerkt, wie sich durch das ungefilterte Fließen der Worte mein eigener Schreibstil herauskristallisiert hat. Mir sind immer wieder Satzstrukturen und Eigenheiten aufgefallen, die ich inzwischen auch bewusst gerne verwende.
Was tun mit den Morgenseiten?
Die häufigste Frage, die sich stellt, ist: Was mache ich mit den vielen Seiten, die täglich mehr werden? Julia Cameron rät, sie sich für die ersten Wochen gar nicht erst durchzulesen und niemandem zu zeigen, um weiterhin unbefangen zu schreiben. Befreie dich von dem Anspruch, mit den Morgenseiten etwas Künstlerisches zu schaffen oder außergewöhnliche Formulierungen finden zu wollen. Die Schüler ihrer Kurse haben die Morgenseiten verbrannt, geschreddert oder begraben. Doch aufbewahren geht natürlich auch.
Die Morgenseiten sind wie eine Chronik, die dein Innenleben und Lebensphasen dokumentieren. Es ist spannend, sie mit etwas Abstand durchzulesen und Erkenntnisse daraus zu ziehen, Muster im eigenen Leben und den Gedanken zu erkennen – und hiervon etwas in deine kreative Arbeit einfließen zu lassen. Ausprobieren und dran bleiben lohnt sich und dazu ermutigt auch Julia Cameron mit den Worten: “Es gibt keinen falschen Weg, Morgenseiten zu schreiben”.
Was ist mit dir: Schreibst auch du Morgenseiten?
Quellen und weiterführende Literatur
Cameron, Julia (1994): The Artist’s Way: A Spiritual Path to Higher Creativity. London: Souvenir Press.
Cameron, Julia (2013) The Miracle of Morning Pages: Everything You Always Wanted to Know About the Most Important Artist’s Way Tool: A Special from Tarcher/Penguin. New York: Penguin Publishing Group.
Als Schreibpädagogin zeige ich dir, wie du die Kraft des Schreibens nutzt, um dich selbst Seite für Seite zu entdecken und besser zu verstehen. Auf Stille Seiten findest du Schreibimpulse und Reflexionsfragen für dein Tagebuch, deine persönlichen Texte oder deine Journaling-Routine.