Momente einfangen – Kürzestgeschichten und Kurzprosa schreiben

Momente einfangen – Kürzestgeschichten und Kurzprosa schreiben

Kürzestgeschichte, Miniatur, Skizze – Die literarische Gattung der Kurzprosa kennt viele Formen. Nicht immer erzählen sie Geschichten. Manche halten die Stimmung eines Augenblicks fest wie ein Schnappschuss – zufällig und bruchstückhaft. Kurze Texte sind ein Übungsfeld: Ihre Länge ist überschaubar und Schreiber*innen können Themen und verschiedene Stile ausprobieren. Was Kurzprosa von anderen Geschichten unterscheidet und wie du sie einübst, liest du hier.

Was sind Kürzestgeschichten?

Kürzestgeschichten sind so vielfältig, dass eine einheitliche Definition kaum zu finden ist. Oft werden sie in Abgrenzung zur Kurzgeschichte beschrieben: Sie sind komprimierter in Umfang und Handlung. Sie sind dichter geschrieben, vieles angedeutet und ausgespart. Ihre Länge reicht von zwei Zeilen bis drei Seiten.

In den USA heißen diese Geschichten übrigens Short Shortstory und Roberta Allen definiert sie so:

Die Kürzestgeschichte kommt schnell zum Kern der Sache und offenbart das Wesentliche einer Situation oder eines Augenblicks mit sehr wenigen Worten. Sie ist in sich geschlossenen und kann genauso viele Stimmungen ausdrücken und Formen annehmen wie die Kurzgeschichte. Sie kann ein Schnappschuss sein oder ein Einzelbild, aber in ihren engen Grenzen sind alle Freiheiten statthaft.

Roberta Allen

Kurzprosa zwischen Stimmung und Handlung

In der Kurzprosa lassen sich zwei Arten von Texten unterscheiden: Die, die von Stimmung getragen werden und die, die eine Geschichte erzählen. Was sie von längeren Geschichten unterscheidet, ist ihre Kürze. Platz, um die Figuren und die Handlung zu entwickeln, gibt es nicht.

Eine Geschichte ist ein Gefäß für eine Veränderung

Roberta Allen

Stattdessen gibt es in kurzen Geschichten eine Veränderung. Diese Veränderung kommt meist zum Schluss: mit einer Einsicht, einem Verstehen oder Entschluss oder einer überraschenden Wende.

Die wichtigsten Merkmale einer Kürzestgeschichte

Die Kurzgeschichte und die Kürzestgeschichte haben nach Roberta Allen einige Elemente gemeinsam, wie Figuren, Schauplatz, Erzähler, Situation, Stil und Ton. In der Kürzestgeschichte nehmen sie jedoch eine andere Funktion ein. Meist stehen nur ein oder wenige Elemente im Vordergrund.

Die Kürzestgeschichte lebt von der Kürze, einer Intensität, Stimmung und vom Augenblick. Für den Aufbau bedeutet das: 

Anfang, Mitte und Schluss wird durch den Augenblick ersetzt.

Roberta Allen

Mit wenigen Worten viel sagen – das gelingt mit einer bildreichen, metaphorischen Sprache und einer Überarbeitung, bei der du jedes Wort prüfst und dich fragst: Ist es notwendig und steht es an der richtigen Stelle? 

Material und Ideen für Kürzestgeschichten

Doch gehen wir zurück zum Anfang. Ideen für kurze Geschichten findest du in Bildern, unterwegs oder in Schreibmethoden, die Material aus einem Unterbewusstsein aktivieren.

Inspiration in Bildern finden

Um den Einstieg in stimmungsvolle Texte zu finden, eignet sich ein Bild oder eine Postkarte. Nimm die Stimmung auf, während du es betrachtest, und lass dich beim Schreiben von ihr treiben. Du musst nicht das aufschreiben, was im Bild zu sehen ist. Schlüpf in die Rolle eines Beobachters: Was fällt dir auf, wie wirkt die Umgebung, was sagt der Blick der Personen, wie stehen sie zueinander, was steht zwischen ihnen? Fällt es dir schwer, dich von dem Bild zu lösen, gibt es einen Trick: Beschreibe, was nicht im Bild zu sehen ist.

Wie ein Flaneur: Geschichten an belebten Orten finden

Eine andere Möglichkeit, um zu Stimmungstexten inspiriert zu werden, sind öffentliche Plätze in der Stadt, der Fußgängerzonen oder draußen im Straßencafé. So wandelst du auf den Spuren des Flaneurs, einem literarischen Erzähler und Beobachter, der sich durch die Massen der Großstadt treiben lässt, ziellos herumflaniert und seine Gedanken schweifen lässt.

Assoziativ schreiben mit dem Cluster

Das Cluster ist eine der Standardtechniken des Kreativen Schreiben und befördert Geschichten aus dem Unterbewusstsein zutage. Die Methode von Gabriele Rico eignet sich besonders gut für Kurzprosa.

So funktioniert das Cluster:

  1. Schreibe ein Wort in die Mitte deines Blatts und umkreise es.
  2. Starte von dort eine Assoziationskette: Schreibe dich von einem Wort zum anderen, umkreise es jeweils wieder und verbinde die Wörter mit einer Linie.
  3. Fällt dir nichts mehr ein, zeichnest du den nächsten Ast vom Hauptwort aus ein und beginnst die nächste Assoziationskette.
  4. Lass dich von einem Wort zum anderen tragen. Kommt du nicht mehr weiter, zeichnest du einen neuen Ast ein.

Clustere so lange weiter, bis du eine Idee für einen Text bekommst. Dann beginnst du zu schreiben und flechtest so viele oder wenige Wörter aus dem Cluster in den Text ein, wie du möchtest.

Kurzprosa schreiben mit Schreibimpulsen

Schreibimpulse, auch Writing Prompts, helfen dabei, mit dem Schreiben anzufangen, wenn du einmal keine Idee hast. Sie geben ein Thema oder einen Satz vor, an den du sofort anknüpfen kannst.

Ein Prompt aus Roberta Allens Ratgeber ist:

Schreib eine Geschichte über … eine Lüge.

Stell den Timer auf fünf Minuten und schreib sofort los, um das Unterbewusstsein zu aktivieren.

Writing Prompts sind vor allem im englischsprachigen Raum auf Blogs und in Büchern zu finden. Eigene Schreibimpulse entwickelst du, indem du eine zufällige Seite in einem Buch aufschlägst. Wähle ein oder mehrere Wörter aus und erstelle ein Cluster oder schreibe direkt drauflos.

Quellen und weiterführende Literatur:

Allen, Roberta (2018): Short Shortstorys schreiben. Mit der Fünf-Minuten-Methode Kürzestgeschichten schreiben und Romane entwickeln. Berlin: Autorenhaus Verlag.

Rico, Gabriele (1984): Garantiert schreiben lernen. Sprachliche Kreativität methodisch entwickeln – ein Intensivkurs auf der Grundlage der modernen Gehirnforschung. Reinbek: Rowohlt.

Wittke, Eleonore (2022): Gut und kurz: So will ich schreiben. Anekdoten, Impressionen, Skizzen. Wege zu kreativen Texten. Norderstedt: BoD. | textwerkstatt-wittke.de

Schreiben unter Druck – Wie du dich von Erfolgsdruck und eigenen Erwartungen befreist

Schreiben unter Druck – Wie du dich von Erfolgsdruck und eigenen Erwartungen befreist

Da ist diese Unruhe, wenn du schreibst. Wenn du im Text stecken bleibst und es im Gefühl hast: Das kann ich nicht. Das schaffe ich nicht. Der Text wird nicht so klingen, wie ich ihn mir ausgemalt habe. Das baut Druck beim Schreiben auf – dabei lässt es sich ohne viel leichter schreiben. Hier sind Ideen, wie du dich vom inneren Druck beim Schreiben befreist.

[separator type=“thin“] In Teil eins der Artikelserie Schreiben unter Druck zeige ich dir, wie du den Druck herausnimmst, der entsteht durch eigene Erwartungen, den inneren Kritiker, das Streben nach Perfektion und eigenen Zeitdruck. Im zweiten Artikel gibt es Strategien, um Texte unter Zeitdruck aufs Papier zu bringen, wenn ein Abgabetermin und eine Deadline anstehen. [separator type=“thin“]

Druck entsteht im Kopf: Erwartungen an den Text und an dich

Kennst du das? Du schreibst einen Text und stellst ihn dir bereits fertig vor: wie er sein soll, wie er wirken soll. Das übt ungemein Druck aus. Und entmutigt, wenn der Text aus dem Kopf auf dem Papier so gar nicht danach klingen will.

Denk nicht an Schritt zehn, wenn du den ersten noch nicht gegangen bist.

Verändere die Perspektive weg vom fertigen Text hin zum nächsten Schritt: überhaupt erst einmal etwas zu Papier zu bringen, einen Absatz zum Beispiel und dann den Entwurf. Der erste Entwurf ist nie perfekt – und soll es auch nicht sein. Er ist eine Basis für die weitere Überarbeitung. Mit jedem Durchgang näherst du dich deinem idealen Text immer weiter an.

Ein kleiner Trost: Deine Leser kennen die Kopfversion des Textes nicht und werden sie nie miteinander vergleichen können!

Freies Schreiben für mehr Klarheit und gegen den inneren KritikerFalls dich alle Versuche einschüchtern und du weder beginnen noch weiterschreiben kannst, bleibt dir in den meisten Fällen nur eine Wahl: trotzdem schreiben. Leicht und intuitiv wird es mit Freien Schreiben bzw. dem Free Writing.

Schreib am besten per Hand und ohne abzusetzen auf, was dir durch den Kopf geht. 10 Minuten lang.

Um deinen Unsicherheiten auf die Spur zu kommen, kannst du ein fokussiertes Free Writing schreiben, das unter einem Thema steht, zum Beispiel worum es im Text gehen soll, wie du dein Thema klarer herausarbeiten kannst, warum du dich gerade so schwer damit tust, wie die Handlung weitergehen soll. So entsteht eine grobe Skizze, wo du mit dem Text hin willst. Nutze sie als Ausgangspunkt.

Das Freie Schreiben ist außerdem eine tolle Übung gegen den inneren Kritiker. Über Free Writing gewöhnst du dir an, drauflos zuschreiben. Dabei schreibst du ohne zu korrigieren und bewerten. Wenn du beim Schreiben korrigierst, ist es, als würdest du dir selbst immer wieder ins Wort fallen.

Das mag niemand.

Es schießt deine Gedanken immer wieder aus der Bahn und du gerätst aus dem Schreibfluss. Korrigieren kannst du später immer noch. Schalte den Kritiker aus, der dir Worte nimmt, bevor du die Chance hast, sie auszusprechen und zu Ende zu denken.

Deine Handschrift und Notizen: Unvollendet und unperferktErlaube dir selbst, unvollendet und unperfekt zu schreiben. Nimm dir ein Beispiel an deiner Handschrift und deinem Notizbuch: Sie sind unregelmäßig, gefüllt mit Satzfragmenten, flüchtigen Notizen, vagen Gedanken. Und dennoch sind sie ein wahrer Schatz, wenn du nach Inspiration suchst.

Probiere aus, ob sich dein Druck verringert, wenn du den ersten Entwurf per Hand schreibst, statt am Computer, wo die Form und Schrift sehr an das fertige Buch erinnern.

Warum du nicht nach Perfektion streben kannstWoher weiß ein Autor, wann sein Text fertig ist? Oder der Künstler, wann kein Pinselstrich mehr fehlt? Er entscheidet irgendwann, dass sein Werk fertig ist – in dem Wissen, dass es nicht vollendet ist und mit dem Gefühl, dass es nur für den Moment fertig ist.

Jedes Werk ist unvollendet, denn an jedem Text und jedem Kunstwerk ließe sich immer wieder etwas verändern oder verbessern. Irgendwann kommt der Punkt, an dem du es so sein lässt, wie es ist. Die Kunst besteht darin, diesen Moment zu finden.

Ein Text ist nicht dann vollkommen, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann.
Antoine de Saint-Exupery.

Nicht gut genug? – Lass dich nicht einschüchternSchon öfter habe ich den Satz gehört: „Dieses Buch hätte ich gerne selbst geschrieben!” Ich kann den Gedanken nachfühlen, doch weißt du was? Das geht nicht. Du kannst nicht die Geschichten eines anderen erzählen, sondern immer nur deine und das auf deine Weise.

Lass dich von fremden Texten nicht einschüchtern. Kein Text klingt wie der andere. Jede*r Autor*in bringt andere Voraussetzungen, Erfahrungen, Prioritäten und Ziele mit. Vergleichen ist zwecklos.

Mir hat es geholfen, mich an all den anderen Texten zu erfreuen und zu denken: „Dein Weg ist nicht mein Weg.” Nur weil andere in meinem Alter schon ihre ersten Werke veröffentlicht haben, heißt das noch lange nicht, dass ich es auch muss oder genauso vorhabe.

Lass dir Zeit, wenn du Zeit brauchst

Es gibt schnelle Schreiber*innen und die, die sich Zeit nehmen. In einem Interview beschreibt Schriftstellerin Judith Hermann, dass sie das Schreiben als anstrengend empfindet:
Manchmal brauche ich wirklich sehr lange, bis ich die Kombination aus zum Beispiel fünf Wörtern gefunden habe, die mir die richtige scheint – sowohl für mich als auch für den Protagonisten der Geschichte.
Judith Hermann

So hat sich jeder über die Jahre seine Arbeitsweise angeeignet. Ich schreibe über mehrere Tage hinweg an einem Artikel für Federschrift. Natürlich schreibe ich nicht rund um die Uhr. Ich brauche die Abstände, die dazwischen liegen, um meine Gedanken und den Text zu sortieren. Für mich funktioniert es.

Wenn etwas für dich funktioniert und du es gerne auf diese Weise angehst, dann lass dir nicht einreden, dass es anders sein muss oder du etwas tun musst, um schneller voranzukommen. Für jeden von uns passt eine andere Arbeitsweise.

Mutmacher: Wie andere Autor*innen schreibenEs gibt unzählige Wege, um zum fertigen Text zu kommen. Leider bekommen wir selten einen Einblick in den Arbeitsprozess anderer Autor*innen, sondern lesen nur die fertigen Texte. Es ist falsch zu glauben, dass sie in einem Guss und ohne Zweifel entstanden sind.

Von manchen Autoren lassen sich Vorher-nachher-Versionen ihrer Texte finden, zum Beispiel in früheren Entwürfen, nachträglich überarbeitete Veröffentlichungen, in Arbeitsjournalen, Tagebüchern und Briefen. Vielleicht findest du solches Material von deinen Lieblingsautor*innen und Vorbildern.

Ist es nicht ermutigend, dass sie genauso zaudern und hadern und mitunter jahrelang an ihren Texten herumgewerkelt haben und ihre Erstlingswerke meist in der Schublade liegen geblieben sind? Mir nimmt das oft den Druck und motiviert mich, dran zu bleiben, weil es mir zeigt, dass es möglich ist, irgendwann die Texte zu vollenden, die den Weg zu ihren Lesern finden.

Nun interessiert mich: Wie gehst du mit innerem Druck beim Schreiben um?

[separator type=“thin“]Bei dir steht ein Abgabetermin an? In Teil zwei liest du, wie du trotz Termindruck Ruhe bewahrst und die Deadline einhältst.[separator type=“thin“]

Warum es manchmal besser ist, deine Ideen und Texte loszulassen

Warum es manchmal besser ist, deine Ideen und Texte loszulassen

Loslassen tut weh – doch loslassen befreit. Bei Gegenständen kann es manchmal ungemein schwerfallen sie wegzugeben. Sich von Menschen, Gewohnheiten oder Vorstellungen von uns zu trennen – da wird das Herz noch schwerer und der Kopf blockiert.

Nicht weniger leicht ist es mit den Texten, die du geschrieben hast. Da gibt es diese Idee, diesen Roman, den du unbedingt noch schreiben willst. Da gibt es diese angefangenen Texte, die sich noch lange nicht richtig und fertig anfühlen, die du irgendwann noch verbessern wolltest. Oder bei denen du so gar nicht weißt, was du mit ihnen tun sollst. Ideen und Fragmente spuken in deinem Kopf umher. Und sie tun vor allem eins: Sie binden Energie und halten nur auf. Zeit, sie loszulassen.

Warum es so schwer ist, Geschichten loslassen

Mit jeder Idee und Geschichte, die du loslässt, geht auch ein Teil von dir. Das macht das loslassen ja so schwer. Du hast etwas investiert und den Text aus einem guten Grund begonnen. Die Idee hat dich lange begleitet, doch jetzt ist sie es nicht mehr. Trotzdem glaubst du, es dieser Idee schuldig zu sein und sie umzusetzen zu müssen.

Wenn sich der eigene Text fremd anfühlt

Mir ging es nicht anders. Es gibt eine Kurzgeschichte, die ich im Abstand von vielen Jahren immer wieder überarbeitet habe. Einige Stellen sind besser geworden, aber letztendlich ist sie ein Mosaik geworden, das nicht mehr harmoniert. Weil ich über eine lange Zeit nichts Neues geschrieben habe, habe ich diese Geschichte noch zu manchen Schreibtreffen mitgenommen.

Sie ist nicht besser geworden, ich habe sie komplett umgeschrieben, sie wurde zerredet und löst inzwischen nichts mehr aus, wenn ich sie lese. Sie ist mir fremd geworden – das ist nicht mehr meine Geschichte. Genauso ging es mir mit so manchen Geschichten, an denen ich immer weiter geschrieben habe, bis ich gemerkt habe, dass es gar nicht mein Thema ist oder etwas anderes mit ihnen nicht stimmte.

Jeder Text ist eine Übung für die Schreibpraxis

Ich habe diese Geschichten gehen lassen und lasse sie nun in ihrer Word-Datei ruhen. Sie haben ihren Zweck erfüllt: Sie haben mich weiter zum Schreiben ermutigt und gezeigt, dass ich mich weiterentwickelt habe.

Manchmal habe ich noch etwas in neue Texte mitnehmen können, eine Figur oder eine neue Idee, die sich aus dem Text entwickelt hat. Dasselbe gibt für Formulierungen, Sätze oder Metaphern, die ich in früheren Texten verwendet hat. Ich habe sie hin und wieder noch in neue Texte eingebaut.

Sieh es weder als aufgeben oder abbrechen noch als sprunghaft, wenn du einen Text loslässt, sondern so: Jeder Text ist gut, weil er der nächste Schritt war, der dich hierhingeführt hat, wo du nun stehst. In jedem deiner Texte stecken all die Erfahrungen, die du durch die Texte, die du zuvor gelesen oder geschrieben hast, sammeln konntest.

Loslassen gibt Raum und Fokus für neue Texte

Solange du deinen alten Texten nachhängst, wirst du kaum etwas Neues schreiben. Solange du nicht nach neuen Themen, Ideen und Formulierungen suchst, wird nichts Neues entstehen. Sobald du alte Texte loslässt, eröffnet sich dir Raum für neue Ideen und Texte.

Wenn du beginnst, das Schreiben als Prozess anzusehen, ist es okay, normal und wichtig Texte für die Schublade oder den Papierkorb schreiben. Sie alle sind Teil deines Wegs.

Wenn du loslässt, hast du zwei Hände frei.
Aus China

Kennst du auch das Gefühl und trägst alte Texte mit dir herum?

Wie gehst du mit solchen Texten um?

Das war 2018 – Ein Rückblick auf das erste Jahr von Federschrift

Das war 2018 – Ein Rückblick auf das erste Jahr von Federschrift

2018 ist das Jahr, in dem ich viel Neues begonnen habe und sehr vieles zum ersten Mal getan habe. Was mir vorher unglaubliche Angst gemacht hat, war genau der Schlüssel, um daran zu wachsen. Obwohl ich mein Leben lang Neues gelernt und getan habe, habe ich erst in diesem Jahr begonnen, Veränderung als das anzusehen, was sie sind: positiv und notwendig, wenn wir Neues wagen wollen. Und so habe ich mich langsam, aber bestimmt an das Projekt Federschrift gewagt.

Federschrift in Themen und Zahlen

Obwohl ich die Domain für Federschrift bereits 2015 (!) registriert habe, hat es bis zum März 2018 gedauert bis dort die ersten Artikel zu lesen waren. Die ersten Entwürfe sind 2016 entstanden, doch ich habe lange mit meinem Thema und dem Konzept gehadert.

Dass ich den ersten Artikel überhaupt online gestellt habe, war ein riesengroßer Schritt für mich. Und die Erkenntnis: Wie so oft braucht es nur den ersten Schritt und ich bin froh, ihn gegangen zu sein. Denn daraus haben sich wie von alleine viele weitere Schritte ergeben.

Inzwischen…

  • gibt es auf Federschrift 17 Artikel zu lesen,
  • habe ich sieben Inspirationsletter mit exklusiven Schreibübungen verschickt,
  • hat Federschrift bereits ein Redesign hinter sich,
  • haben mich Mails und Nachrichten mit Feedback von lieben Leserinnen erreicht, die mir zeigen, dass ich auf dem richtigen Weg bin – Danke dafür!

Die beliebtesten Artikel aus diesem Jahr spiegeln genau die Themen wider, die mich durch das Jahr begleitet haben: 

  1. Schreibübung fürs Reisen – Die literarische Postkarte
  2. Schreiben in einer lauten Welt – Die heimliche Stärke introvertierter Menschen
  3. Morgenseiten schreiben – Gegen Blockaden und für mehr Kreativität im Alltag

Schreiben auf Reisen

Aus jedem Land, in das ich reise und aus jeder Stadt, die ich besuche, bringe ich mir Postkarten mit. Ich sammle sie als Erinnerungsstücke, doch ihre Rückseite lasse ich immer leer. In diesem Jahr war ich in Prag und Neapel. Beide Städte habe ich durch Franz Kafka und Elena Ferrante besser kennengelernt. Ich habe mir unterwegs und abends Notizen gemacht von Orten und Beobachtungen und einfach geübt, Geschichten im Alltag wahrzunehmen. Vielleicht spinne ich die Geschichten weiter, vielleicht auch nicht. Das schöne ist, dass ich nun noch lebendigere Erinnerungen als Bilder an die Reisen habe.

Collage aus Bildern von Neapel und der Amalfiküste

Schreiben als Denkwerkzeug

Ein wichtiger Begleiter war und ist mein Journal, in das ich mal morgens, mal abends schreibe. Es hat mich nach langen Pausen wieder an das Schreiben herangeführt und auch dabei geholfen, mit Federschrift zu starten.

Es hilft mir bei Entscheidungen, mich auf Gespräche vorzubereiten und mir meiner Gedanken klarer zu werden. Ich dokumentiere damit mein Denken, mein Leben und meine Entwicklung als leiser Mensch – ohne es hätte ich bei diesem Rückblick so manches vergessen.

Dinge, die ich zum ersten Mal getan habe: Workshops

Abseits von Federschrift habe ich meine erste Redaktionsschulung zum Thema Schreiben fürs Webgehalten. Ich habe mich außerdem getraut für meine Kolleg*innen in der Agentur Blackout Poetry Mini-Workshops zu geben. Um sie anzukündigen, habe ich ein Video-Tutorial gedreht.

Das Schönste daran war, dass ich Menschen dafür begeistern konnte, sich mit Worten auszuprobieren. Die meisten waren nach kurzer Zeit sehr vertieft in ihren Text und so überrascht, dass es „funktioniert“ und ein neuer Text entsteht, indem sie andere Wörter schwärzen. Es sind wunderbare Texte dabei entstanden, von Liebesgedichten bis Lebensweisheiten und kleinen Blitzlichtern. 

early morning

you and me

so simply

we found ourselves

in a silly mood

I love

how we live.

Collage aus Blackout Poetry Texten

Literatur und Lesungen

Groß war meine Vorfreude auf den neuen Roman von Haruki Murakami, der bereits 2017 angekündigt wurde. Im April war er dann da, die Die Ermordung des Commendatore, in gewohnt schönem Folienumschlag, der neben den anderen Murakami-Büchern ein schickes Bild in meinem Regal abgibt. Jeden Abend hat er mich in das geheimnisvolle Atelier am Berg entführt. Schon wenige Monate später kam die Fortsetzung, die leider nicht das fortsetzen konnte, was sie begonnen hatte.

Dann gab es Autor*innen, die ich ebenfalls schon lange lese und die mich jedes Mal erneut beeindrucken. Ich besuchte die Lesungen von Peter Stamm zu seinem Roman Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt.

Ich war außerdem bei der Lesung Saskia Hennig von Lange, die Hier beginnt der Wald vorstellte. Ich bewundere ihre drängende und rhythmische Sprache und mag es sehr, ihr beim Lesen zuzusehen, wie sie ihre Hand hebt und senkt, als würde sie ihre eigene Stimme dirigieren.

Sprachlich, aber leider nicht inhaltlich, beeindruckt hat mich Verena Carls Roman Die Lichter unter uns. Rundum gelungen war Eine Liebe, in Gedanken von Kristine Bilkau. 

Collage aus Bilder der Buchmesse, einem Lesungssaal und Büchern

Wie in den letzten Jahren auch habe ich wieder mehr Sach- und Fachbücher, Ratgeber und Blogartikel gelesen anstatt Literatur. Dennoch habe ich mich mit Literatur und Buchmenschen umgeben: Wiederholungstäterin war ich auf dem LitCamp Heidelberg und der Frankfurter Buchmessemit Gastland Georgien. Wie in keinem Jahr zuvor habe mich durch offene Bücherschränke, Antiquariate und Bücherflohmärkte gestöbert – was nicht zuletzt daran lag, genügend Material für Blackout Poems zu sammeln. 

Was zu kurz kam: Das eigene Schreiben

Wie du dir vorstellen kannst, war bei all den Themen nicht viel Platz für meine eigenen Geschichten. Ich habe ein paar Wochen lang einen Kurzgeschichten-Kurs besucht, gelegentlich Miniaturen geschrieben, ein paar Fingerübungen gemacht. Notizen und Ideen für Kurzgeschichten habe ich viele aufgeschrieben, sie liegen alle in meiner Datei zu „zukünftigen Projekten“ ab.

Stattdessen haben mich meine tägliche Energie und Schreibroutinen beschäftigt. Einen Schreibratgeber, den ich wiederentdeckt und angefangen habe von vorne bis hinten durchzuarbeiten, ist Garantiert schreiben lernen von Gabriele Rico. Auch wenn der Titel nicht ideal gewählt ist, sind die Inhalte und das, was beim Schreiben zu Clustern passiert, erstaunlich und hilfreich für mich gewesen. 

Ausblick und Ziele – Woran ich 2019 arbeiten werde

Für 2019 heißt es: Den Weg weitergehen. 

  1. In der ersten Jahreshälfte werde ich eine Ausbildung im Bereich Schreiberatung und Schreibtraining machenum zertifizierte Schreibberaterin zu werden.
  2. Ich arbeite an einem Online-Kurs, den ich auf Federschrift anbieten möchte.
  3. Es soll wieder mehr Geschichten in meinem Leben geben: Ich will Kurzgeschichten und längere Texte schreiben.
  4. Dafür will ich mich einer Schreibgruppe anschließen oder selbst eine gründen, da ich bisher noch nicht das passende Angebot für mich gefunden habe.

Ich freue mich über alle Leser*innen, die mir bis hierhin gefolgt ist, und auch im neuen Jahr weiter dabei sein werden. Es war ein intensives und wechselhaftes Jahr, mit dem ich rückblickend rundum zufrieden bin. Auf diese Anfänge baue ich gerne auf – und auch du darfst dich freuen auf alles, was auf Federschrift noch kommen wird!

Was wünscht du dir für 2019? Gibt es Schreibziele, die du erreichen möchtest? Schreib mir gerne davon in den Kommentaren!

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Warum Vorbilder in der Literatur auch deine Mentoren sind – Lerne von ihnen mit dem Ideenstammbaum

Warum Vorbilder in der Literatur auch deine Mentoren sind – Lerne von ihnen mit dem Ideenstammbaum

Wir alle haben Vorbilder, zu denen wir aufschauen und die wir bewundern. Manchmal geht es auch weiter: Wir wollen sein wie sie. Wir wollen können, was sie können. Ganz besonders, wenn es sich um Vorbilder in der Literatur und Kunst handelt. Wie du in die Lehre deiner Meister gehen und in ihnen geistige Mitstreiter findest, erfährst du mit dem Ideenstammbaum – einer Methode, die der Künstler Austin Kleon in seinem Buch „Steal Like An Artist“ vorstellt.

Was es bedeutet Vorbilder in der Literatur und Kunst zu haben

Ein Vorbild zu haben, ist Trost und eine Bürde zugleich. Es schüchtert ein, weil wir uns an denjenigen messen, die uns meilenweit voraus sind, jahrelange Erfahrung und andere Voraussetzungen hatten. Auf der anderen Seite motiviert und inspiriert uns das Vorbild. Es tröstet uns sogar, weil sie in der Regel selbst Vorbilder hatten, denen sie nacheiferten. Sie alle haben irgendwann begonnen. Also, beginne auch du mit deinem Vorbild.

Klau von deinen Vorbildern – aber tu es wie ein Künstler

Austin Kleon ist Künstler und stiehlt, allerdings tut er es wie ein Künstler. In seinem Buch Alles nur geklaut“ (Originaltitel: Steal like an artist) lädt er dazu ein, offen zu sein, nach guten Ideen Ausschau zu halten, bewusst auszuwählen, womit du dich umgibst, Ideen und Methoden zu sammeln und etwas eigenes daraus machen. Wie ein wahrer Künstler stiehlt, hat er sehr unterhaltsam in seinem TED-Talk auf der TEDxKC vorgetragen.
„Ein guter Künstler weiß, dass nichts aus dem Nichts kommt. Alles Kreative folgt dem, was vorher war.“
– Austin Kleon

Erschaffe deinen Ideenstammbaum

Welche Ideen sind es Wert geklaut zu werden? Na, die deiner Vorbilder. Nimm dir dein Vorbild und beschäftige dich mit ihm. Lies seine Werke, betrachte seine Gemälde, hör seine Musik. Suche nach Texten und Interviews von ihm und über ihn. Besonders spannend sind Tagebücher oder Briefe, in denen sich der Künstler über seinen Schaffensprozess äußert oder erwähnt, welche Menschen ihn geprägt haben.
Recherchiere drei Vorbilder deines Vorbildes und gehe jeweils genauso vor: Betrachte und lies ihre Werke, ihre Themen und ihrer Methoden. Suche dann nach deren Vorbilder… So schaffst du einen Ideenstammbaum, wie Austin Kleon ihn nennt. Stelle dich selbst in die Tradition deiner Vorbilder. Begreife sie als deine Mentoren, die dir ihren Lehrplan in ihren Werken mitgegeben und an denen du dich abarbeiten kannst.

Ideen, die zwischen Buchseiten liegen

Dein eigener Stammbaum bringt dir unglaublich viele Ideen ein und füllt dein Notizbuch. Es geht nicht ums Abschreiben oder Plagiieren, sondern darum, sich mit Inhalten, Handwerk und Denkweisen zu beschäftigen, Anregungen zu finden, Ideen und Gedanken zu kombinieren… und noch mehr, denn „wenn du dich als Teil einer kreativen Reihe von Menschen siehst, fühlst du dich weniger allein, wenn du anfängst, eigene Sachen zu machen.“, schreibt Kleon.

Alte Bücher lehnen in einem Bücherregal schräg übereinander 

So habe ich meine Vorbilder entdeckt

Eine meiner liebsten Autorinnen ist Judith Hermann. Als ich Literaturwissenschaft studiert habe, habe ich mich mit ihren Werken beschäftigt und meine Abschlussarbeit über Literarische Vorbilder geschrieben. Die große Frage lautete, welchen Einfluss Raymond Carver auf die deutsche Kurzgeschichte hatte. Das Feuilleton hat Judith Hermann zugeschrieben, in seiner Tradition zu schreiben, später hat sie seinen Einfluss bestätigt, allerdings hat sie ihn erst nach ihrem Debüt gelesen.
Bei der Suche nach den Einflüssen von Raymond Carver bin ich auf Anton Tschechow und Ernest Hemingway gestoßen. Über diese gelange ich wiederum zu Gustav Flaubert, Victor Hugo, Dante und von dort führt der Weg über Philosophen des antiken Griechenlands hin zu Ovid.

Auf der Suche nach weiteren Ideen-Vorfahren

Die Suche geht auch rückwärts: Wer stellt sich noch in die Tradition, in das Erbe einer der Vorfahren weiter oben im Stammbaum? Welcher Schriftsteller sagt noch über sich aus, diesen oder jeden Einfluss zu haben? Dann schau dir ihn an. So gelange ich über Ernest Hemingway zu Peter Stamm.
Über Querverbindungen lassen sich ebenso künstlerische Vorfahren finden. Haruki Murakami ist ein weiterer meiner liebsten Autoren und interessanterweise hat er die Kurzgeschichten von Raymond Carver ins Japanische übersetzt. Schaue ich nach Murakamis Einflüssen, komme ich an John Irving und Fjodor Dostojevski nicht vorbei.
„[in der] Literaturgeschichte [führen] bekanntlich alle Wege über Carver, Cheever, Hemingway und Kafka zurück nach Babel und Tschechow.“
– Michael Naumann, Rede zur Verleihung des Kleis-Preises 2001 an Judith Hermann.

Die Einflüsse deiner Vorbilder finden

Eine Möglichkeit, die Einflüsse deiner Vorbilder herauszufinden, ist über Goodreads, dem virtuellen Bücherregal. Auf den Autorenseiten gibt es den Punkt „Influences“, unter dem andere Autoren angegeben und verlinkt werden können. Diese Angaben sind nicht allerdings nicht überprüfbar und nur bei den Autoren vollständig gepflegt, die im englischsprachigen Raum erfolgreich sind.
Eine weitere Quelle sind Artikel im Feuilleton. In Rezensionen werden die Werke der Autor*innen gerne in eine Erzähltradition eingeordnet. Dies basiert in der Regeln auf der Analyse von Stil und Motiv. Doch auch hier ist Vorsicht geboten, wie ich in meiner Abschlussarbeit feststellen musste: Manche Zuschreibungen sind konstruiert.
Am zuverlässigsten sind Selbstauskünfte der Autor*innen in Interviews, Vorworten anderer Bücher oder ihren Autorenwebsites – die Frage nach den Vorbildern und Einflüssen ist eine beliebte Frage in Interviews.

In die Lehre der Meister gehen

Hast du deine Vorbilder ausfindig gemacht, male dir den Stammbaum auf. Platziere dich ganz unten auf einem Blatt Papier und trage über dir deine Vorbilder und deren Vorbilder ein. Dieser Baum gibt dir nicht nur eine Leseliste an die Hand, sondern auch einen Lehrplan, den du nach folgenden Leitfragen gestalten kannst:

  • Was hat dein Vorbild alles geschrieben? Gibt es neben Romanen vielleicht Gedichte, Kurzgeschichten, Briefe oder Fragmente?
  • Wie lässt sich der Schreibstil beschreiben, gibt es einen typischen „Sound“?
  • Warum gefällt es dir? Welche Werke empfindest du als schwächer und warum?
  • Wie haben sich Stil und Thema über die Jahre entwickelt?
  • Gibt es ein Lebensthema oder Motiv, das sich immer wiederholt?
  • Wie beschreibt dein Vorbild seinen Arbeitsprozess?
  • Gibt es Ähnlichkeiten zu den Werken deiner anderen Vorbildern? Lässt sich ein Einfluss erkennen?
  • Wie kannst du dich noch von den Texten inspirieren lassen?
Es geht nicht darum, abzuschreiben und wie jemand anderes zu schreiben – das ginge auch gar nicht, sondern zu schauen, was du von deinem Vorbild lernen kannst. Und wenn es ein breiteres Wissen über die Literaturlandschaft ist und das Verständnis, wo du und dein Vorbild herkommen und welche künstlerische DNA euch eint… dann hast du viel gewonnen, und vor allem geistige Mitstreiter, die dich auf deinem Weg des Schreibens unterstützen.
Quellen und weiterführende Literatur

Kleon, Austin (2013): Alles nur geklaut. 10 Wege zum kreativen Durchbruch. München: mosaik.

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Wortreich schreiben – 7 Übungen, die deinen Wortschatz erweitern

Wortreich schreiben – 7 Übungen, die deinen Wortschatz erweitern

Wir legen Wörter auf die Goldwaage, wenn wir sie mit Bedacht wählen. Wir prüfen und vergleichen, welches Wort am besten passt. Dabei greifen wir auf unseren Wortschatz zurück. Stell ihn dir vor wie Worte in einer Truhe. Täglich sammelst du neue Wörter und füllst den Schatz, damit sie dir nicht ausgehen.

Mit jedem Text gibst du etwas von deinem Schatz weg und musst fortan nach neuen Wörtern und Variationen suchen, um weiterhin abwechslungsreich, wortreich und treffend zu schreiben. Dabei helfen dir diese sieben Ideen, mit denen du ganz nebenbei deinen Wortschatz trainierst.

So viele Wörter umfasst ein Wortschatz

In der deutschen Sprache gibt es 5,3 Millionen Wörter. Das zählte die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften im Jahr 2013. Die Zahl der Stichwörter in der aktuellen Auflage des Duden umfasst dagegen 145 000 Wörter. Selbst diese Zahl ist noch hoch verglichen mit den Wörtern, die wir im Alltag gebrauchen.

Unterschieden wird zwischen aktivem und passivem Wortschatz. Unser aktiver Wortschatz meint die Wörter, die wir beim Sprechen nutzen, während der passive Wortschatz die beinhaltet, die wir verstehen, aber nicht aktiv gebrauchen.

Nach Angaben des Duden umfasst der aktive Wortschatz „eines deutschen Durchschnittssprechers 12 000 bis 16 000 Wörter“. Der passive Wortschatz liegt bei mindestens 50 000 Wörter.

Der umfangreichere passive Wortschatz erklärt, warum es zum Beispiel in einer Fremdsprache leichter fällt, Gehörtes zu verstehen als selbst die Sätze zu bilden und auszusprechen.

Was beeinflusst den Wortschatz?

Was uns umgibt, prägt uns. Das gilt in gleicher Weise für den Wortschatz. Es sind die Bücher, die wir lesen, die Menschen um uns herum und überhaupt unser gesamtes Umfeld, beruflich wie familiär.

Nicht zu unterschätzen ist die Kraft, die Sprache auf unsere Gedanken ausübt. Geh bewusst mit den eigenen Worten um, denn sie werden zu Gedanken. Und aus ihnen folgen Taten.

Worte haben noch eine weitere Kraft: Sie sind Türöffner. Sie öffnen uns Welten, die uns bisher verborgen geblieben sind und helfen, sie zu begreifen. Wer eine neue Sprache lernt oder sich ein neues Themengebiet erschließt, kennt es bestimmt. Denn was wir nicht beim Namen nennen können, darüber können wir nicht nachdenken und auch nicht schreiben.

Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.
Ludwig Wittgenstein.

Mehr zu diesem spannenden Thema liest du in diesem Artikel drüber, wie Sprache unser Denken beeinflusst.

7 Ideen, wie du deinen Wortschatz erweitern kannst

1. Aufmerksam zuhören

Hör in Gesprächen genau hin: Wie sprechen andere, welche Wörter benutzen sie? Warum benutzt du sie nicht oder nur selten? Vielleicht passen die Worte nicht zu dir, aber sie können zu einer deiner Figuren und Geschichten passen. Notiere diese Wörter, bilde Sätze mit ihnen und versuche, sie öfter bei Unterhaltung zu verwenden.

2. Lesen, lesen, lesen

Wenn du dir vornimmst, beim Lesen auf neue Wörter zu achten, dann wirst du sie finden. Ganz egal, ob in der Literatur, auf Blogs, Reiseberichten oder in Fachartikel – überall stehen interessante Wörter, die du vielleicht vergessen hast. Ich habe eine Evernote-Datei mit besonderen Wörtern angelegt. Darin sammle ich bei jeder Gelegenheit schöne Wörter wie meerwärts, bislang, horchen, Aufruhr, taktil. In Literatur aus anderen Epochen oder von internationalen Autoren lassen sich ebenso Wörter neu- oder wiederentdecken.

Mein Tipp für wortreiche Literatur: Die Straße von Cormac McCarthy.
Antike Bücher in einer Glasvitrine

3. Synonyme nachschlagen

Der Blick ins Online Synonym-Wörterbuch steht oft am Ende der Überarbeitung, wenn wir feststellen, dass wir dasselbe Wort mehrfach hintereinander verwenden. Es ist nicht immer sinnvoll, ein Wort durch ein anderes zu ersetzen, dass dessen Bedeutung nicht genau wiedergibt. Schlag es dennoch nach und sieh dir die Ergebnisse an, es gibt dir ein Gefühl für die Bedeutungsnuancen.

Etwas umfangreicher als ein reines Synonym-Lexikon ist ein Thesaurus. Er enthält neben Definitionen und Synonymen auch Antonyme, also Wörter mit der gegenteiligen Bedeutung.

4. Wortfelder bilden

Ein Wortfeld ist eine Sammlung von sinnverwandten Wörtern zu einem Hauptwort. Wortfelder kannst du selbst erstellen, indem du ein Wort als Ausgangspunkt nimmst und ähnlich wie bei einem Cluster vorgehst: Schreibe das Wort auf ein leeres Blatt Papier, assoziiere und notiere dir dazu passende Synonyme.

Ein Beispiel: Lautet der Begriff des Wortfeldes schreiben, könntest du das Feld mit diesen weiteren Wörter füllen: verfassen, notieren, protokollieren, aufschreiben, zu Papier bringen.

Solche Wortfelder lassen sich jederzeit erweitern und wunderbar als digitale Datei abspeichern, falls du einmal auf der Suche nach einem Wort bist oder Ideen für Metaphern benötigst.

5. Lyrik schreiben, lesen und übersetzen

Songtexte und Gedichte arbeiten mit bildhafter und komprimierter Sprache. Jedes Wort sitzt, ist ausdrucksstark und trifft den Leser oder Zuhörer. Mit solchen verdichteten Texten lernst du, so lange nach dem treffenden Wort zu suchen, bis es passt.

Anstelle sie zu schreiben oder lesen, kannst du Songtexte oder Lyrik aus dem Englischen (oder einer anderen Sprache) übersetzen. Hier kommt es darauf an, nicht das erstbeste deutsche Wort zu nehmen, sondern auf Rhythmus, Klang und Bedeutung zu achten. Dabei hilft ein Thesarus und nebenbei lernst du viele neue Wörter, die in deinem Wortschatz bereits Staub angesetzt haben.

6. Das verbotene Wort umschreiben

Die Arbeit am Wortschatz lässt sich in Schreibübungen integrieren. Du könntest beispielsweise den Herbst beschreiben ohne die typischen Wörter rot, gold, Laub zu verwenden. Anstelle die naheliegensten Wörter für die Beschreibung zu nutzen, bist du bei solchen Übungen gezwungen, weiterzudenken, bildhafter und in Metaphern zu schreiben.

7. Werte deine Texte aus

Welche Wörter benutzt du am häufigsten? Oft haben wir Lieblingswörter ohne dass es uns bewusst ist. Am schnellsten findest du es über Online-Tools heraus, die deinen Text auswerten und dabei die häufigsten Wörter zählen. Neben Tools, die deinen Stil analysieren, gibt es solche, die deine häufigsten Wörter auflisten.

Einen Wortschatz aufzubauen braucht Zeit und Übung – und hört im Grunde niemals auf. Er wächst langsam und vor allem dann, wenn du dir neue Wörter regelmäßig notierst und sie anwendest. Lies dir die neuen Wörter gelegentlich durch, bilde Sätze mit ihnen und verwende sie in Gesprächen, damit dein Wortschatz immer reicher und deine Texte wertvoller werden.

Mit welchen Methoden arbeitest du, um deinen Wortschatz zu erweitern?

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