Jahresrückblick 2019 – Ein Blick zurück und nach vorne

Jahresrückblick 2019 – Ein Blick zurück und nach vorne

Als ich angefangen habe, diesen Jahresrückblick zu schreiben, hat es sich so angefühlt, als ob gar nicht so viel passiert ist. Doch ist es nicht immer so, dass wir so ein Jahr ganz schön unterschätzen? Auch wenn es in der zweiten Jahreshälfte still geworden ist auf Federschrift, hat mich das Schreiben das ganze Jahr über begleitet und ich habe so einiges erreicht.

Meine Weiterbildung zur Schreibberaterin

Eines meiner Ziele für dieses Jahr war die Weiterbildung zur zertifizierten Schreibberaterin und Schreibtrainerin. Von Februar bis Juli war ich dafür regelmäßig am SchreibCenter der TU Darmstadt. Anfangs für Workshops, später für eigene Beratungen. Das SchreibCenter steht allen Studierenden offen, die beim Schreiben nicht alleine weiterkommen – bei der Hausarbeit, dem Essay oder der Abschlussarbeit. Und offen sind die Türen wirklich, da es freie Sprechstunden ohne Anmeldung gibt. Das heißt für die Schreibberater*innen, dass sie sich nicht auf die Themen vorbereiten können. Doch ich habe gelernt, dass das gar nicht schlimm ist. Ich kannte die Abläufe, Methoden und Fragetechniken und ließ das Gespräch auf mich zukommen.


Das Team habe ich besonders lieb gewonnen, da ich durch die Beratungen stark in das SchreibCenter eingebunden war. Ich habe nicht nur viel über mein eigenes Schreiben gelernt, sondern auch von den anderen. Wie gehen sie vor – in der Beratung und beim Schreiben? Den einen Weg gibt es nicht. Jeder schreibt auf seine Weise und braucht andere Methoden oder Hilfsmittel. Die Schreibberatung ist dazu da, das gemeinsam herauszufinden.


Ein wenig vermisse ich diese Zeit und den Weg zum SchreibCenter, der durch den wunderschönen Herrngarten führt. Zum Abschluss habe ich einen Schreibberaterkoffer mit Methoden, Vorlagen und Übungen zusammengestellt. Da der Schwerpunkt in der Weiterbildung auf dem wissenschaftlichen Schreiben liegt, habe ich mir vieles für das literarische Schreiben erarbeitet. Im neuen Jahr wird es einiges davon auf Federschrift geben.

Berufliches Schreiben oder: schreiben unter Druck

Schreiben unter Druck war eines meiner großen Themen in diesem Jahr, dem ich zwei Blogartikel gewidmet hab: Schreiben unter Zeitdruck und Schreiben unter innerem Druck. Dass es mich so beschäftigt hat, lag rückblickend an meinem Selbstverständnis als Schreiberin. Mir wurde immer wieder meine eigene Unsicherheit gespiegelt. Das hat mich viel Energie gekostet, die ich viel lieber in Federschrift gesteckt hätte.

Doch auch daran bin ich gewachsen und ich kann weiterziehen: Nach fünf Jahren verabschiede ich mich vom Agenturleben. Ich freue mich schon darauf, in den Bereich Corporate Publishing zurückzukehren. Denn dort hat vor zehn Jahren alles angefangen. Passend zum Thema habe ich im Januar mein Fernstudium im Bereich PR und Öffentlichkeitsarbeit abgeschlossen – mit einer Hausarbeit über Corporate Language, also die unverwechselbare Sprache eines Unternehmens.

Schreibpause auf Federschrift

Bis zum Sommer habe ich regelmäßig auf Federschrift geschrieben. Der Inspirationsletter ist im Juni ein Jahr alt geworden. Ich habe das Design weiterentwickelt und einen exklusiven Download-Bereich mit Schreibübungen für meine Newsletter-Abonnent*innen eingerichtet. Ich hatte noch viel mehr vor, doch habe nicht mehr weitergemacht. Diese Pause wurde immer länger und mit jedem weiteren Monat habe ich mich gefragt, was passieren würde, wenn ich aufhöre. Und weißt du was? Es würde NICHTS passieren. Dieser Gedanke hat mich wieder zurückgeholt. Denn das Schreiben und Federschrift bereichert mein Leben um so viel mehr. Und das tausche ich gerne gegen das NICHTS ein.


An das eigene (Schreib-)Projekt zu glauben, ist nicht immer leicht. Zweifel werden immer wieder kommen und gehen – wie Wellen. Das nächste Mal weiß ich besser, was ich dagegen tun kann. Dieses Schreibtief hat mir aber auch gezeigt, dass es noch ein Weg für mich sein wird, mit Selbstvertrauen zu schreiben und ich dabei über den ein oder anderen Glaubenssatz stolpern werde. Und ganz praktisch muss ich meine Workflows und Schreibzeiten unbedingt besser organisieren. Also keine Sorge, es geht weiter auf Federschrift und ich teile mit dir, was ich auf dieser Reise lernen werde.

Lesejournal für gelesene Bücher

In diesem Jahr habe ich so gut wie alles gelesen (Onleihe und Blinkist sei Dank) – außer Romane. Um mit den Inhalten zu arbeiten und die Übungen umsetzen, habe ich ein Lesejournal begonnen. Es ist mein digitales Notizbuch in das ich Zitate, Zusammenfassungen, eigene Ideen und Gedanken zu den Übungen schreibe.


Die Fülle an Themen in meinem Bücherregal setzt mich aber auch unter Druck. Für mich sind all die ungelesenen Sach- und Fachbücher unerledigte Themen. Worüber ich nicht alles etwas lesen wollte, weil ich mir irgendwas davon versprochen habe. Dass ich danach endlich dieses oder jenes kann…. Ich bin also jedes Buch durchgegangen und habe mich von den „Eigentlich wollte ich…“-Themen und Büchern befreit. Das hat sehr gut getan!


Und weil es für mich in diesem Jahr keine Papier-Geschichten gab, in die ich eintauchen konnte, gab es stattdessen zwei Serien, die mich in diesem Jahr beeindruckt und noch lange beschäftigt haben: Chernobyl und The Handmaid’s Tale. Den Roman Handmaid’s Tale von Margaret Atwood (deutscher Titel: Der Report der Magd) kannte ich noch aus dem Englisch-Leistungskurs. Es war ein typischer Fall von: richtiges Buch zur falschen Zeit. Heute würde ich es gerne nochmal lesen, vor allem die Fortsetzung.


Meine Highlights im Sommer waren die Hochzeit einer Freundin, der Weg durch den Herrngarten ins SchreibCenter und die vielen Spazier- und Sonnenuntergänge in Frankfurt

Der Sommer in Frankfurt

Trotz der Gluthitze war es ein toller Sommer in Frankfurt, in dem ich mich besonders auf die luftigen Fahrten mit meiner Vespa gefreut habe. Im Juni war ich auf einer wunderschönen Hochzeit und habe mich im Gästebuch des Brautpaares mit Blackout Poetry verewigt (was übrigens bis heute der beliebteste Artikel auf Federschrift ist). Als der Sommer fast vorbei war, habe ich die Zusage für einen kleinen Garten hinter dem Haus bekommen. Wir haben in diesem Jahr noch ein süßes Gartenhäuschen aufgebaut. Im Frühjahr pflanzen wir Sträucher, Kräuter und Gemüse.


Aus dem wildbewachsenem Grundstück ist ein 60qm großer Garten geworden – mit Zaun und Gartenhütte

Was hat mich sonst noch beschäftigt?

In den letzten Jahren habe ich immer wieder phasenweise auf Zucker verzichtet. Obwohl es mir unglaublich gut tut, fällt es mir schwer, dabeizubleiben. Mir hilft es, darüber zu schreiben und zurzeit erforsche ich noch, was wirklich bei mir dahintersteckt. Als ich mich tiefer mit gesunder Ernährung beschäftigt habe, habe ich Clean Eating wiederentdeckt.


Es ist mir das erste Mal vor zehn Jahren begegnet, interessanterweise in einem Buch von Julia Cameron, in dem es darum geht, sein Essverhalten zu verbessern, indem man darüber schreibt. Clean Eating ist nichts anderes als eine natürliche Ernährung ohne Zusatzstoffe und Konservierungsmittel, Zucker, Alkohol und Weißmehl. Positiv gesagt: viel frisches Gemüse kombiniert mit Eiweiß und komplexen Kohlenhydraten, frisches Obst und gesunde Fette.


Einige Bücher, Blogs und Kochbücher später bin ich bei Ayurveda gelandet und habe mehrere Wochen lang eine Entgiftungs-Kur gemacht. Seitdem kombiniere ich genau das aus beiden Ernährungsformen, was mir gut tut und in meinen Alltag passt. Es wird immer ein Prozess bleiben und mir an manchen Tagen besser gelingen als an anderen – genauso wie mit meinen Yogaübungen und dem regelmäßigen Schreiben. 

Im Herbst war ich im Urlaub an der wunderschönen italienischen Blumenriviera und der Côte d’Azur. Am meisten habe ich mich auf Nizza gefreut. Doch die schönsten Momente waren auf Portofino und im ligurischen Hinterland, als wir eine Ölmühle besucht haben und mit so vielen Flaschen Olivenöl, wie wir tragen konnten, wieder raus sind. Das überraschendste an der Reise war eine Urlaubsbekanntschaft aus der nun eine kleine Postkartenfreundschaft geworden ist.


Die weiteren freien Tage habe ich dafür genutzt, um meinen Kleiderschrank auszumisten und neu zu sortieren. Dabei habe ich meine erste Capsule Wardrobe für den Herbst/Winter erstellt und was soll ich sagen: Ich bin seit langem richtig zufrieden damit und habe nicht mehr das Gefühl, mir etwas Neues kaufen zu müssen. Endlich ist alles überschaubar und lässt sich perfekt untereinander kombinieren.

Ausblick auf 2020: So geht es weiter…

Ich weiß, dass ich nicht alle Ziele für dieses Jahr erreicht habe, doch darum geht es gar nicht. Ich bin auf dem Weg und mag die Umwege. Für 2020 nehme ich mir vor:

  • Mehr Regelmäßigkeit in allem, was ich tue (Clean Eating, schreiben, Yoga…)!
  • Ich möchte produktiver sein und Workflows für das Schreiben und Federschrift entwickeln, damit ich meinen Redaktionsplan besser einhalte, wieder regelmäßig blogge, Inspirationsletter verschicke und Instagram nicht länger vor mir herschiebe.
  • Ich träume schon lange von einem Projekt, bei dem ich eigene Fotografien und Geschichten miteinander verbinde. Im nächsten Jahr würde ich gerne wieder mehr fotografieren und an verschiedenen Storyformaten schreiben.
  • Mein Kurzgeschichten-Band existiert bisher nur in meinem Kopf. Ich möchte weiter daran schreiben und ihn nächstes Jahr fertigstellen.
  • Ein Ziel, das es schon letztes Jahr gab: Schreib-Workshops geben und daraus einen E-Mail- und/oder Online-Kurse entwickeln.
  • Mein Wissen und die Erfahrung aus der Schreibberater-Weiterbildung auf Federschrift einbringen.
  • Da das Nachdenken auf dem Papier immer wichtiger für mich wird, kann ich mir gut vorstellen, das Thema Journaling und Schreibimpulse stärker auf Federschrift einzubringen.

Ich danke allen, die mir bis hierhin auf Federschrift gefolgt sind und hoffentlich weiter mit dabei sein werden. Ganz besonders freue ich mich über die E-Mail-Kontakte, die sich daraus entwickelt haben und dass so manchem meine Schreibpause aufgefallen ist.

Ich schreibe weiter – ich hoffe, du auch!

Was sind deine (Schreib-)Ziele für das neue Jahr? Schreib es mir gerne in die Kommentare.

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Die Kunst des letzten Satzes – So schreibst du ein gutes Ende (mit Beispielen aus der Literatur)

Die Kunst des letzten Satzes – So schreibst du ein gutes Ende (mit Beispielen aus der Literatur)

Der letzte Satz ist gelesen. Die Figuren treten von der Bühne ab. Es ist der Moment, in dem Leser*innen das Buch schließen und Abschied nehmen. Hier entscheidet sich, mit welchem Gefühl sie die Geschichte zurücklässt. Wie dir ein Ende gelingt, das Leser*innen begeistert und auf welche Weise du Geschichten beendest, liest du hier.

Mit dem Ende steht und fällt, wie Leser*innen deine Geschichte in Erinnerung behalten. Ein guter Anfang ist wichtig, um die Leser in die Geschichte zu ziehen, so ist ein gutes Ende genauso wichtig, doch oft entscheidender über den Erfolg einer Geschichte. Am meisten bleibt uns das Ende in Erinnerung: Das gelungene und das, dass irgendwie nicht zufriedenstellend war.

Was macht ein gutes Ende aus?

Das Ende einer Geschichte ist die logische Folge aus der vorangegangenen Handlung. Der Schluss führt alles zusammen: Lose Handlungsstränge, Antworten auf offene Fragen, er löst den Hauptkonflikt und zeigt, ob die Figuren ihr Ziel erreicht haben und wie sie sich dadurch entwickelt haben. Die Kunst des letzten Satzes ist es, den richtigen Zeitpunkt zu treffen und nicht zu früh oder mit einem langatmigen Schluss enden.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für das Ende einer Geschichte?

Ein perfektes Ende kommt für den Leser überraschend und erscheint ihm dennoch genau richtig.

William Zinsser

Das perfekte Ende ist also eine Balance aus der Lesererwartung und der logischen Konsequenz aus dem, was zwischen Anfang und Ende steht. Um das zu erreichen, braucht es Übung und Gespür: Probiere verschiedene Enden aus und gehe nach deinem Gefühl, welche Variante am besten zur Geschichte passt.

Endet die Geschichte zu früh und zu abrupt, lässt sie den Leser mit einem unguten Gefühl zurück. Zieht sich das Ende zu lange hin, liefert eine erklärende Zusammenfassung, eine Moral oder sogar eine zufällige Auflösung (die sich nicht aus der Handlung oder den Figuren ergibt) wird sich der Leser für dumm verkauft fühlen und die Geschichte unglaubwürdig finden.

An bestimmte Genre ist meist auch eine bestimmte Erwartung geknüpft: In einem Liebesroman erwarten Leser*innen ein Happy End, bei einem Krimi, dass der Mörder und das Motiv enthüllt werden.

Einen tollen Tipp habe ich auf diesem Blog gelesen, er stammt von der Schriftstellerin Sharon Warner. Sie empfiehlt: Schreibe das Ende, bis sich fast eine neue Geschichte am Ende andeutet.

Falls du zu späten Enden neigst, gibt es auch hier einen Trick: Lies dir dein Ende durch bis zum vorletzten Absatz. Decke den letzten Absatz mit deiner Hand ab oder knicke das Papier um. Wie wirkt es? Könnte die Geschichte bereits hier enden – oder noch einen Absatz früher… oder noch früher? Dieselbe Probe geht auch umgekehrt: Fühlt sich dein Ende noch nicht ganz rund an und fehlt ihm etwas, dann schreibe noch einen Absatz und überprüfe die Wirkung.

Das Ende von Sätzen und Absätzen

Neben dem Schluss der Geschichte hat auch jedes Kapitel, jeder Absatz und jeder Satz ein Ende. In Die 50 Werkzeuge für gutes Schreiben widmet Roy Peter Clark ihnen ein eigenes Kapitel. Er zeigt, dass der letzte Satz oder nur das letzte Wort eines Kapitels bereits eine Andeutung des großen Finales am Ende beinhalten kann. Sobald das Ende deiner Geschichte feststeht, überprüfe die Enden deiner Kapitel.

Das letzte Wort

Das Ende mancher Geschichten ist auf ein letztes Wort hin konzipiert. Vladimir Nabokovs Roman Lolita beginnt und endet mit dem Schlüsselwort:

Anfang:
Lolita, Licht meines Lebens, Feuer meiner Lenden.

Ende:
Und dies ist die einzige Unsterblichkeit, an der du und ich gemeinsam teilhaben dürfen, meine Lolita.

Verschiedene Arten von Enden

Für das Ende einer Geschichte gibt es unzählige Möglichkeiten. Ein gutes Hilfsmittel ist es, dir den Rahmen der Geschichte bewusst zu machen oder dich für einen zu entscheiden.

Roy Peter Clark beschreibt einige davon, zum Beispiel:

  • Der Zeitrahmen: Hier gibt das Ticken einer Uhr den Rahmen vor – zum Beispiel bleibt den Figuren nur noch wenig Zeit, um etwas zu tun oder zu finden. Hier endet die Geschichte, wenn die Zeit abgelaufen ist.
  • Der räumliche Rahmen: Der Beginn einer Reise oder einer Suche führt den Leser an verschiedene Orte bis er an seiner letzten Destination angekommen ist. 
  • Den Kreis schließen: Bei einem Ringschluss beziehen sich Anfang und Ende aufeinander. Hat die Geschichte mit einer Reise begonnen, so endet sie mit einer Rückkehr: Das Ende führt zurück zum Ort des Anfangs. Der Schluss kann aber auch eine Erkenntnis oder Wiederholung eines prägnanten Satzes aus dem Anfang sein, der jetzt in einem anderen Licht erscheint.

Das lineare Ende

Bei diesem Ende fügen sich alle Handlungsstränge zusammen, es gibt keine offenen Fragen und keine Überraschungen. Ein Beispiel ist das Happy End.

Da ein solch runder Schluss unglaubwürdig wirken kann, beschreibt Fritz Gesing in seinem Klassiker Kreativ Schreiben Varianten wie den:

  • „offenen Schluss: Der Leser soll die Lösung finden, die in der Logik der Geschichte liegt.
  • ambivalenten Schluss, der weder glücklich noch unglücklich ist, aber auch nicht vage sein darf.“

Anfang und Ende schreiben

Wie du zum Ende deiner Geschichte findest, hängt von deiner Arbeitsweise ab. Manche haben das Ende bereits beim Schreiben im Kopf; andere beginnen zu schreiben, ohne zu wissen, wie ihre Geschichte endet. Beides ist möglich und ganz egal wie dein Schreibprozess aussieht: Sobald dein Entwurf geschrieben ist, solltest du dir Anfang und Ende nochmals gemeinsam anschauen.

Lege deinen Anfang und das Ende nebeneinander. Gibt es ein Motiv, einen Satz oder Ort aus dem Anfang, den du uns Ende aufnehmen kannst? Oder umgekehrt: Gibt es etwas in deinem Anfang, das du mit Blick auf das Ende umschreiben willst? Manchmal kann es sein, dass du das Ende bereits in deinem Text findest. Roy Peter Clark empfiehlt, sich den ersten Absatz durchzulesen und zu prüfen, ob sich dort nicht schon ein Ende versteckt.

Beispiele für letzte Sätze und Absätze

Um ein Gespür dafür zu bekommen, wie du das Ende einer Geschichte schreibst, ist es hilfreich, viele Enden zu lesen. Bei Romanen und Geschichten lohnt es sich, genau hinzuschauen und Schlüsselstellen wiederholt zu lesen – so fallen dir mehr Details auf, etwa, wie das Ende vorbereitet wird und welche Hinweise bereits am Anfang oder im Verlauf der Geschichte eingestreut sind.

Hier findest du sechs Beispiele aus der Literatur für ein Ende und letzte Sätze:


Mit einer Erkenntnis enden

Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass es dich gegeben hat.
Und weil es dich gegeben hat, werden immer Spuren von dir da sein, die über die Erde wehen.
Ich habe das an hundert verschiedenen Orten gedacht. Im Schnee. In einem dunklen Wald.
Ich denke es jetzt.
Ich denke es, da ich meinem Mann auf einem Pferd zu einer Hütte auf einer Lichtung folge, nach einem Tag in der Sonne. Sein Hemd ist am Rücken feucht und sein linker Arm nach hinten ausgestreckt, ich soll meine Hand in seine legen. Das tue ich. Seine Hand schließt sich um meine, drückt sie, und in dieser Geste denke ich an dich.

Susan Fletcher: Austernfischer

Den Titel des Romans auflösen

Noch bevor sie die ersten gebrochenen Worte ihrer Tochter vernahm, wusste sie, dass es zu spät war. Das Muster, nach dem sie gesucht hatte, war verschwunden. Schlimmer noch – es war nie da gewesen. Wie konnte es auch anders sein? Was sie sich erhofft hatte, war ein Hirngespinst, ein Traum, ein Ding der Unmöglichkeit: Wie der Regen, bevor er fällt.

Jonathan Coe, Der Regen, bevor er fällt

Mit einer Erinnerung enden

Sogar jetzt noch kann ich mir vorstellen, wie sie in ihrem purpurroten Sommerkleid und den hohen schwarzen Stiefeln durch die Zimmer des Pink Hotel stolziert. Manchmal, wenn ich blinzle, sehe ich immer noch wie sie mir von einer Tür aus zulächelt.
Anna Stothard, Pink Hotel

Der Dialog / Die offene Frage

„Du hast meine Frage nicht beantwortet. Ich soll nach Hause kommen – und dann?“
Es klingt schrecklich, aber ich konnte ihr keine Antwort darauf geben, weil ich selbst keine hatte.
Howard Jacobson, Liebesdienst

Abschied nehmen

Leila sah zu, wie der Brief langsam versank, und entfernte sich vom Kanal. Zurück ließ sie nur den Abdruck ihrer weißen Pumps in der Erde.
Claire Gondor: Ein Kleid aus Tinte und Papier

Mit einer Vorausdeutung enden
Ich werde deine Hand nehmen, du wirst aufstehen, und dann, dann werden wir gehen.
Katharina Hartwell, Das Fremde Meer

Diesen Schluss finde ich besonders spannend: Die Zeitebene wechselt von Präsens in die Zukunft – wobei offen bleibt, ob es so eintreten wird oder nur eine Vorstellung des Erzählers ist.

Das perfekte Ende braucht Übung

Du siehst: Ein gutes Ende ist kein Zufall. Lies viel, schaue Filme und sieh dir die Konstruktion von Anfang und Ende genau an. Für das perfekte Ende braucht es womöglich ein paar Anläufe. Probiere verschiedene Enden aus und schreibe mehrere Versionen (und behalte zur Sicherheit alle davon) – bis du das Ende findest, das genau zu deiner Geschichte passt.

Quellen und weiterführende Literatur
Clark, Roy Peter (2017): Die 50 Werkzeuge für gutes Schreiben. Handbuch für Autoren, Journalisten & Texter. Autorenhaus Verlag: Berlin
Gesing, Fritz (1994): Kreativ Schreiben. Handwerk und Techniken des Erzählens. Dumont: Köln.
Zinsser, William (2001): Schreiben wie ein Schriftsteller. Fach- und Sachbuch, Biografie, Reisebericht, Kritik, Business, Wissenschaft und Technik. Autorenhaus Verlag: Berlin.

Der erste Satz: Wie du Leser verführst und deine Geschichte beginnst  (mit 15 Beispielen für gelungene Satzanfänge)

Der erste Satz: Wie du Leser verführst und deine Geschichte beginnst (mit 15 Beispielen für gelungene Satzanfänge)

Für einen ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Was im Leben gilt, gilt auch in Geschichten. Wenn der erste Satz nicht dafür sorgt, dass unsere Leser den zweiten Satz lesen wollen, haben wir sie verloren. Es gibt verschiedene Wege, um eine Geschichte zu beginnen und den Leser in die Geschichte zu ziehen.

Ein erster Satz ist ein Türöffner und muss ziemlich viel können: interessant soll er sein, spannend, den Ton der Geschichte anklingen lassen, Erwartungen wecken (die später auch eingelöst werden sollen), die Figur und die Handlung einführen. Einen guten Anfang zu schreiben, braucht Übung und entsteht selten im ersten Entwurf. Eine Formel oder ein allgemeingültiges Muster gibt es nicht. Inspiration für erste Sätze und Geschichtenanfänge finden wir daher in der Literatur.

Wie beginnt man eine Geschichte?

Ein guter Anfang gibt dem Leser ein Gefühl für die Geschichte, er lernt die Hauptfigur(en) und das Setting kennen.
Aus dem ersten Satz oder Absatz lässt sich mindestens Folgendes ablesen:

  • Erzählperspektive
  • Zeitform
  • Hauptfigur

Darüber hinaus erfüllt der Beginn einer Geschichte weitere Funktionen:

  • Atmosphäre, Ort und Zeit beschreiben
  • Thema der Geschichte benennen
  • Konflikt andeuten
  • Erzählstimme anklingen lassen
  • Erwartungen wecken

Alles davon in den ersten Sätzen unterzubringen, würde sie überfrachten. Ein Anfang bewegt sich Satz für Satz in einem Wechselspiel aus Fragen und Antworten. Er gibt gerade so viele Informationen preis, wie im Moment für das Verständnis nötig sind und streut nach und nach weitere Informationen ein, ohne die zunächst Fragen beim Leser entstehen.

Der richtige Moment für den Einstieg

Wann ist der richtige Moment, um in die Geschichte einzusteigen? Das hängt davon ab, wie die Geschichte und ihr Ende konzipiert sind. Ebenso von der Textsorte: In einer Kurzgeschichte fällt die Einleitung eher knapp aus und startet in der Regel in medias res. Generell gilt, nicht zu früh und lieber etwas später in die Szene einzusteigen.

„Ab ovo“ (lateinisch „vom Ei an“)

Für den Zeitpunkt gibt es zum Beispiel diese Möglichkeiten:

Diese Erzählungen beginnen beim Ursprung. Sie starten beispielsweise mit der Vorgeschichte der Hauptfigur und erzählen ab da chronologisch.

In medias res“ (lateinisch „mitten in die Sache hinein“)

Dieser Anfang fällt mit dem ersten Satz mit der Tür ins Haus. Die Geschichte beginnt mittendrin in einer spannenden Szene oder Handlung.

„In ultimas res“ (lateinisch „von den letzten Dingen an“)

In dieser Variante beginnt die Geschichte mit dem Ende – oder kurz davor. Danach setzt die Erzählung bei der vorangegangenen Handlung ein und zeichnet den Weg bis zum Ende nach und am Schluss schließt sich der Kreis.

Beispiele für Geschichtenanfänge

Ich habe mich durch die Leseproben verschiedenster Romane und Kurzgeschichten gelesen und die Satzanfänge in Kategorien unterteilt. Das ist übrigens mein Tipp an dich: Um ein Gespür für gute Anfänge zu bekommen, solltest du viele Anfänge lesen. Eine größere Auswahl als das heimische Bücherregal findest du in den Leseproben der Verlagsseiten oder Online-Shops.

Neun Wege, um Geschichten zu beginnen

 

1. Mit einem Dialog oder einer Frage

„Was hast du gesagt?“
„Ich habe gesagt, daß ich mit ihnen wegfahre. Es wird ihnen guttun, ein bißchen rauszukommen.“
„Und wann?“ Fragte meine Schwiegermutter.
„Jetzt.“
„Jetzt? Das meinst du nicht im Ernst.“
„Und ob.“

Anna Gavalda: Ich habe sie geliebt

2. Mit der Beschreibung der Umgebung / des Settings

Die Kerzenflamme und ihr im Wandspiegel gefangenes Ebenbild flackerten kurz auf, als er den Flur betrat; und noch einmal, als er die Tür schloss.

Cormac McCarthy: All die schönen Pferde


Die Luft in ihrem Zimmer roch abgestanden nach Zigaretten und Parfüm.

Anna Stothard: Pink Hotel

3. Mit einer allgemeingültigen Wahrheit

Unser Zeitalter ist dem Wesen nach tragisch, daher weigern wir uns, es tragisch zu nehmen.

D.H. Lawrence: Lady Chatterly


Es ist seltsam, dass man durch den größten Lärm hindurch ein ganz leises Geräusch hört, wenn man darauf gewartet hat.

Peter Stamm, Die Erwartung

4. Mitten in der Handlung

Vom Büro bis zum OP-Saal waren es genau fünfzig Schritte.

Jessica Schulte am Hülse: Verrat. Sieben Verbrechen an der Liebe


Sie sah den Brief. Und sie fand ihre Gefühle nicht. Er war tot, so stand es da. Einmal quer über den Briefumschlag, in großen roten Buchstaben: Gefallen für Großdeutschland.

Anne Gesthuyen: Wir sind doch Schwestern


Ich bin gerade sechs geworden, als Olof Palme erschossen wird.

Jonas T. Bengtsson: Wie keiner sonst

5. Mit einer Vorausdeutung

Es wird immer wahrscheinlicher, dass ich tatsächliche jene Reise unternehme, die meine Fantasie bereits seit einigen Tagen mit einer gewissen Ausschließlichkeit beschäftigt.

Kazuo Ishiguro: Was vom Tage übrig bleibt

6. Mit einer Erinnerung

Immer wenn ich an Maria denke, fällt mir ein Abend ein, an dem sie für uns gekocht hatte.

Peter Stamm: Passion

7. Mit dem Motiv der Geschichte

Ich träume vom Wasser, bis heute.

Susan Fletcher: Austernfischer


Ich bin einer von denen, die atmen. Ich muss mit der Musik atmen, ihr und mir Luft zuführen, damit sie nicht erstickt und ich auch nicht. Nicht jedes Stück braucht viel Luft, aber manche bringen mich völlig außer Atem.

Katharina Mevissen: Ich kann dich hören


Erst war es nur ein Wort. Das Wort, flink und wendig, überfiel mich, wie alle diese sechzehnn Wörter, aus dem Hinterhalt. Nie hatte ich es bisher geschafft, mich zu wehren, stets zwangen sie mir aufs Neue ihre Botschaft auf; da ist noch eine andere Sprache, deine Muttersprache, glaube ja nicht, die Sprache, die du sprichst, wäre deine Sprache.

Nava Ebrahimi: Sechzehn Wörter

8. Mit einem erzählerischem Anfang

Vom Juli seines zweiten Jahres an der Universität bis zum Januar des folgenden Jahres dachte Tsukuru Tazaki an nichts anderes als an den Tod.

Haruki Murakami: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

9. Mit etwas Ungewöhnlichem

Drei Männer sind nötig, um die Leiche aus dem Wasser zu ziehen.

Christine Mangan: Nacht über Tanger


Hier gibt es weitere Beispiele für schöne erste Sätze.

Vom ersten Satz zum ersten Absatz

Der erste Satz einer Erzählung oder eines Romans kann nicht alle Funktionen der Exposition auf einmal erfüllen. Dafür sind die weiteren Sätze und Absätze da.

Ein Beispiel:

Nun starrt sie auf das Meer hinaus.

So lautet der erste Satz aus Amy Sackvilles Roman Reise nach Orkney. Für den Leser zeichnet sich damit das Bild einer Frau am Meer ab. Die Erzählweise wirkt ruhig, nachdenklich. Die Frage, wer sie ist, was sie dort tut und wer hier erzählt, beantworten die weiteren Sätze:

Meine junge Frau. Eingewickelt in die lange, grüne Jacke, steht sie auf dem kahlen Strand, im Scherbengeröll aus Kieseln und Krebsen. Sie starrt hinaus, während das Wasser zu ihren Füßen kriecht und sich wieder zurückzieht, und wenn der sanfte, unermüdliche Sog der Gezeiten nah genug ist, um an ihren Zehen zu nuckeln, weicht sie einen Schritt zurück. Bald wird vom Strand nicht mehr viel übrig sein als ein schmaler Streifen Sand, und sie wird auf die Steine ausweiten müssen; dann kommt sie vielleicht zurück zu mir.

Unterdessen beobachte ich vom Fester aus, wie sie aufs Meer hinausstarrt.

Wohin, frage ich, soll ich dich nach der Hochzeit entführen? „Ans Meer“, antwortete sie. „Würdest du bitte mit mir ans Meer fahren?“

In den ersten Sätzen erfahren wir, dass es um den Ich-Erzähler und seine „junge Frau“ geht, die sich auf Hochzeitsreise befinden. Der Ort wird nicht erwähnt, deutet sich aber bereits im Titel des Romans an. Dass die Frau jung ist, ist eine wichtige Information, da sich im Verlauf zeigt, dass sie einen deutlich älteren Mann geheiratet hat.

Interessant an der Einleitung ist die räumliche Distanz: Er beobachtet sie von drinnen und hofft, dass sie zu ihm zurückkommt. Damit deutet sich eine emotionale Distanz an. Ebenso die Wortwahl ‚entführen‘ klingt sehr vieldeutig. Die Naturbeschreibungen wirken kühl und die Ebbe kann als eine Vorausdeutung ihrer Beziehung verstanden werden.

In diesem Anfang steckt bereits so viel Potenzial, eine interessante Konstellation, offene Fragen und eine eigentümliche Atmosphäre, die Erwartungen weckt und den Leser einnimmt.

Den Anfang zum Schluss schreiben

Die Ansprüche an einen ersten Satz sind hoch und führen häufig dazu, dass wir wie erstarrt vor dem leeren Blatt sitzen. Beginne deine Text ganz ohne Druck und in dem Wissen, dass du den Anfang jederzeit ändern kannst. 

Viele Autor*innen überarbeiten den Anfang am Schluss, wenn das Ende der Geschichte feststeht. Dann überarbeiten und straffen sie die ersten Sätze und sorgen für den sprachlichen Feinschliff, etwa die Reihenfolge der Wörter solange umzustellen oder nach einem anderen Wort zu suchen, bis der Satz sitzt.

Das ist aus zwei Gründen sinnvoll: Einmal, um Anfang und Ende aufeinander abzustimmen. Zum anderen, um den richtigen Zeitpunkt zu finden, wann die Erzählung einsetzt. Bis wir uns in eine Geschichte eingeschrieben haben, brauchen wir ein paar Zeilen. Prüfe deshalb, ob du die ersten Zeilen streichen kannst und so aus einem späteren Satz dein erster werden kann.

Jedes Kapitel ist ein neuer Anfang

Denk daran: Mit jedem neuen Kapitel in einer Erzählung oder in einem Romans schreibst du einen neuen Anfang. Hierfür gilt das gleiche, was für Seite eins gilt: Ein Satz soll zum nächsten führen. Achte darauf, dass du die Satzanfänge der einzelnen Kapitel variierst und sie nicht alle nach dem gleichen Schema beginnen. Wie du Kapitel abwechslungsreich beginnst, hat Melanie von Storyanalyse ausführlich beschrieben.


Zu jedem Anfang gehört ein Ende. Meist deutet es sich bereits in den ersten Zeilen an. Im nächsten Monat liest du hier im Federschrift-Magazin, wie du das Ende einer Geschichte schreibst.

Momente einfangen – Kürzestgeschichten und Kurzprosa schreiben

Momente einfangen – Kürzestgeschichten und Kurzprosa schreiben

Kürzestgeschichte, Miniatur, Skizze – Die literarische Gattung der Kurzprosa kennt viele Formen. Nicht immer erzählen sie Geschichten. Manche halten die Stimmung eines Augenblicks fest wie ein Schnappschuss – zufällig und bruchstückhaft. Kurze Texte sind ein Übungsfeld: Ihre Länge ist überschaubar und Schreiber*innen können Themen und verschiedene Stile ausprobieren. Was Kurzprosa von anderen Geschichten unterscheidet und wie du sie einübst, liest du hier.

Was sind Kürzestgeschichten?

Kürzestgeschichten sind so vielfältig, dass eine einheitliche Definition kaum zu finden ist. Oft werden sie in Abgrenzung zur Kurzgeschichte beschrieben: Sie sind komprimierter in Umfang und Handlung. Sie sind dichter geschrieben, vieles angedeutet und ausgespart. Ihre Länge reicht von zwei Zeilen bis drei Seiten.

In den USA heißen diese Geschichten übrigens Short Shortstory und Roberta Allen definiert sie so:

Die Kürzestgeschichte kommt schnell zum Kern der Sache und offenbart das Wesentliche einer Situation oder eines Augenblicks mit sehr wenigen Worten. Sie ist in sich geschlossenen und kann genauso viele Stimmungen ausdrücken und Formen annehmen wie die Kurzgeschichte. Sie kann ein Schnappschuss sein oder ein Einzelbild, aber in ihren engen Grenzen sind alle Freiheiten statthaft.

Roberta Allen

Kurzprosa zwischen Stimmung und Handlung

In der Kurzprosa lassen sich zwei Arten von Texten unterscheiden: Die, die von Stimmung getragen werden und die, die eine Geschichte erzählen. Was sie von längeren Geschichten unterscheidet, ist ihre Kürze. Platz, um die Figuren und die Handlung zu entwickeln, gibt es nicht.

Eine Geschichte ist ein Gefäß für eine Veränderung

Roberta Allen

Stattdessen gibt es in kurzen Geschichten eine Veränderung. Diese Veränderung kommt meist zum Schluss: mit einer Einsicht, einem Verstehen oder Entschluss oder einer überraschenden Wende.

Die wichtigsten Merkmale einer Kürzestgeschichte

Die Kurzgeschichte und die Kürzestgeschichte haben nach Roberta Allen einige Elemente gemeinsam, wie Figuren, Schauplatz, Erzähler, Situation, Stil und Ton. In der Kürzestgeschichte nehmen sie jedoch eine andere Funktion ein. Meist stehen nur ein oder wenige Elemente im Vordergrund.

Die Kürzestgeschichte lebt von der Kürze, einer Intensität, Stimmung und vom Augenblick. Für den Aufbau bedeutet das: 

Anfang, Mitte und Schluss wird durch den Augenblick ersetzt.

Roberta Allen

Mit wenigen Worten viel sagen – das gelingt mit einer bildreichen, metaphorischen Sprache und einer Überarbeitung, bei der du jedes Wort prüfst und dich fragst: Ist es notwendig und steht es an der richtigen Stelle? 

Material und Ideen für Kürzestgeschichten

Doch gehen wir zurück zum Anfang. Ideen für kurze Geschichten findest du in Bildern, unterwegs oder in Schreibmethoden, die Material aus einem Unterbewusstsein aktivieren.

Inspiration in Bildern finden

Um den Einstieg in stimmungsvolle Texte zu finden, eignet sich ein Bild oder eine Postkarte. Nimm die Stimmung auf, während du es betrachtest, und lass dich beim Schreiben von ihr treiben. Du musst nicht das aufschreiben, was im Bild zu sehen ist. Schlüpf in die Rolle eines Beobachters: Was fällt dir auf, wie wirkt die Umgebung, was sagt der Blick der Personen, wie stehen sie zueinander, was steht zwischen ihnen? Fällt es dir schwer, dich von dem Bild zu lösen, gibt es einen Trick: Beschreibe, was nicht im Bild zu sehen ist.

Wie ein Flaneur: Geschichten an belebten Orten finden

Eine andere Möglichkeit, um zu Stimmungstexten inspiriert zu werden, sind öffentliche Plätze in der Stadt, der Fußgängerzonen oder draußen im Straßencafé. So wandelst du auf den Spuren des Flaneurs, einem literarischen Erzähler und Beobachter, der sich durch die Massen der Großstadt treiben lässt, ziellos herumflaniert und seine Gedanken schweifen lässt.

Assoziativ schreiben mit dem Cluster

Das Cluster ist eine der Standardtechniken des Kreativen Schreiben und befördert Geschichten aus dem Unterbewusstsein zutage. Die Methode von Gabriele Rico eignet sich besonders gut für Kurzprosa.

So funktioniert das Cluster:

  1. Schreibe ein Wort in die Mitte deines Blatts und umkreise es.
  2. Starte von dort eine Assoziationskette: Schreibe dich von einem Wort zum anderen, umkreise es jeweils wieder und verbinde die Wörter mit einer Linie.
  3. Fällt dir nichts mehr ein, zeichnest du den nächsten Ast vom Hauptwort aus ein und beginnst die nächste Assoziationskette.
  4. Lass dich von einem Wort zum anderen tragen. Kommt du nicht mehr weiter, zeichnest du einen neuen Ast ein.

Clustere so lange weiter, bis du eine Idee für einen Text bekommst. Dann beginnst du zu schreiben und flechtest so viele oder wenige Wörter aus dem Cluster in den Text ein, wie du möchtest.

Kurzprosa schreiben mit Schreibimpulsen

Schreibimpulse, auch Writing Prompts, helfen dabei, mit dem Schreiben anzufangen, wenn du einmal keine Idee hast. Sie geben ein Thema oder einen Satz vor, an den du sofort anknüpfen kannst.

Ein Prompt aus Roberta Allens Ratgeber ist:

Schreib eine Geschichte über … eine Lüge.

Stell den Timer auf fünf Minuten und schreib sofort los, um das Unterbewusstsein zu aktivieren.

Writing Prompts sind vor allem im englischsprachigen Raum auf Blogs und in Büchern zu finden. Eigene Schreibimpulse entwickelst du, indem du eine zufällige Seite in einem Buch aufschlägst. Wähle ein oder mehrere Wörter aus und erstelle ein Cluster oder schreibe direkt drauflos.

Quellen und weiterführende Literatur:

Allen, Roberta (2018): Short Shortstorys schreiben. Mit der Fünf-Minuten-Methode Kürzestgeschichten schreiben und Romane entwickeln. Berlin: Autorenhaus Verlag.

Rico, Gabriele (1984): Garantiert schreiben lernen. Sprachliche Kreativität methodisch entwickeln – ein Intensivkurs auf der Grundlage der modernen Gehirnforschung. Reinbek: Rowohlt.

Wittke, Eleonore (2022): Gut und kurz: So will ich schreiben. Anekdoten, Impressionen, Skizzen. Wege zu kreativen Texten. Norderstedt: BoD. | textwerkstatt-wittke.de

Schreiben unter Druck – Wie du dich von Erfolgsdruck und eigenen Erwartungen befreist

Schreiben unter Druck – Wie du dich von Erfolgsdruck und eigenen Erwartungen befreist

Da ist diese Unruhe, wenn du schreibst. Wenn du im Text stecken bleibst und es im Gefühl hast: Das kann ich nicht. Das schaffe ich nicht. Der Text wird nicht so klingen, wie ich ihn mir ausgemalt habe. Das baut Druck beim Schreiben auf – dabei lässt es sich ohne viel leichter schreiben. Hier sind Ideen, wie du dich vom inneren Druck beim Schreiben befreist.

[separator type=“thin“] In Teil eins der Artikelserie Schreiben unter Druck zeige ich dir, wie du den Druck herausnimmst, der entsteht durch eigene Erwartungen, den inneren Kritiker, das Streben nach Perfektion und eigenen Zeitdruck. Im zweiten Artikel gibt es Strategien, um Texte unter Zeitdruck aufs Papier zu bringen, wenn ein Abgabetermin und eine Deadline anstehen. [separator type=“thin“]

Druck entsteht im Kopf: Erwartungen an den Text und an dich

Kennst du das? Du schreibst einen Text und stellst ihn dir bereits fertig vor: wie er sein soll, wie er wirken soll. Das übt ungemein Druck aus. Und entmutigt, wenn der Text aus dem Kopf auf dem Papier so gar nicht danach klingen will.

Denk nicht an Schritt zehn, wenn du den ersten noch nicht gegangen bist.

Verändere die Perspektive weg vom fertigen Text hin zum nächsten Schritt: überhaupt erst einmal etwas zu Papier zu bringen, einen Absatz zum Beispiel und dann den Entwurf. Der erste Entwurf ist nie perfekt – und soll es auch nicht sein. Er ist eine Basis für die weitere Überarbeitung. Mit jedem Durchgang näherst du dich deinem idealen Text immer weiter an.

Ein kleiner Trost: Deine Leser kennen die Kopfversion des Textes nicht und werden sie nie miteinander vergleichen können!

Freies Schreiben für mehr Klarheit und gegen den inneren KritikerFalls dich alle Versuche einschüchtern und du weder beginnen noch weiterschreiben kannst, bleibt dir in den meisten Fällen nur eine Wahl: trotzdem schreiben. Leicht und intuitiv wird es mit Freien Schreiben bzw. dem Free Writing.

Schreib am besten per Hand und ohne abzusetzen auf, was dir durch den Kopf geht. 10 Minuten lang.

Um deinen Unsicherheiten auf die Spur zu kommen, kannst du ein fokussiertes Free Writing schreiben, das unter einem Thema steht, zum Beispiel worum es im Text gehen soll, wie du dein Thema klarer herausarbeiten kannst, warum du dich gerade so schwer damit tust, wie die Handlung weitergehen soll. So entsteht eine grobe Skizze, wo du mit dem Text hin willst. Nutze sie als Ausgangspunkt.

Das Freie Schreiben ist außerdem eine tolle Übung gegen den inneren Kritiker. Über Free Writing gewöhnst du dir an, drauflos zuschreiben. Dabei schreibst du ohne zu korrigieren und bewerten. Wenn du beim Schreiben korrigierst, ist es, als würdest du dir selbst immer wieder ins Wort fallen.

Das mag niemand.

Es schießt deine Gedanken immer wieder aus der Bahn und du gerätst aus dem Schreibfluss. Korrigieren kannst du später immer noch. Schalte den Kritiker aus, der dir Worte nimmt, bevor du die Chance hast, sie auszusprechen und zu Ende zu denken.

Deine Handschrift und Notizen: Unvollendet und unperferktErlaube dir selbst, unvollendet und unperfekt zu schreiben. Nimm dir ein Beispiel an deiner Handschrift und deinem Notizbuch: Sie sind unregelmäßig, gefüllt mit Satzfragmenten, flüchtigen Notizen, vagen Gedanken. Und dennoch sind sie ein wahrer Schatz, wenn du nach Inspiration suchst.

Probiere aus, ob sich dein Druck verringert, wenn du den ersten Entwurf per Hand schreibst, statt am Computer, wo die Form und Schrift sehr an das fertige Buch erinnern.

Warum du nicht nach Perfektion streben kannstWoher weiß ein Autor, wann sein Text fertig ist? Oder der Künstler, wann kein Pinselstrich mehr fehlt? Er entscheidet irgendwann, dass sein Werk fertig ist – in dem Wissen, dass es nicht vollendet ist und mit dem Gefühl, dass es nur für den Moment fertig ist.

Jedes Werk ist unvollendet, denn an jedem Text und jedem Kunstwerk ließe sich immer wieder etwas verändern oder verbessern. Irgendwann kommt der Punkt, an dem du es so sein lässt, wie es ist. Die Kunst besteht darin, diesen Moment zu finden.

Ein Text ist nicht dann vollkommen, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann.
Antoine de Saint-Exupery.

Nicht gut genug? – Lass dich nicht einschüchternSchon öfter habe ich den Satz gehört: „Dieses Buch hätte ich gerne selbst geschrieben!” Ich kann den Gedanken nachfühlen, doch weißt du was? Das geht nicht. Du kannst nicht die Geschichten eines anderen erzählen, sondern immer nur deine und das auf deine Weise.

Lass dich von fremden Texten nicht einschüchtern. Kein Text klingt wie der andere. Jede*r Autor*in bringt andere Voraussetzungen, Erfahrungen, Prioritäten und Ziele mit. Vergleichen ist zwecklos.

Mir hat es geholfen, mich an all den anderen Texten zu erfreuen und zu denken: „Dein Weg ist nicht mein Weg.” Nur weil andere in meinem Alter schon ihre ersten Werke veröffentlicht haben, heißt das noch lange nicht, dass ich es auch muss oder genauso vorhabe.

Lass dir Zeit, wenn du Zeit brauchst

Es gibt schnelle Schreiber*innen und die, die sich Zeit nehmen. In einem Interview beschreibt Schriftstellerin Judith Hermann, dass sie das Schreiben als anstrengend empfindet:
Manchmal brauche ich wirklich sehr lange, bis ich die Kombination aus zum Beispiel fünf Wörtern gefunden habe, die mir die richtige scheint – sowohl für mich als auch für den Protagonisten der Geschichte.
Judith Hermann

So hat sich jeder über die Jahre seine Arbeitsweise angeeignet. Ich schreibe über mehrere Tage hinweg an einem Artikel für Federschrift. Natürlich schreibe ich nicht rund um die Uhr. Ich brauche die Abstände, die dazwischen liegen, um meine Gedanken und den Text zu sortieren. Für mich funktioniert es.

Wenn etwas für dich funktioniert und du es gerne auf diese Weise angehst, dann lass dir nicht einreden, dass es anders sein muss oder du etwas tun musst, um schneller voranzukommen. Für jeden von uns passt eine andere Arbeitsweise.

Mutmacher: Wie andere Autor*innen schreibenEs gibt unzählige Wege, um zum fertigen Text zu kommen. Leider bekommen wir selten einen Einblick in den Arbeitsprozess anderer Autor*innen, sondern lesen nur die fertigen Texte. Es ist falsch zu glauben, dass sie in einem Guss und ohne Zweifel entstanden sind.

Von manchen Autoren lassen sich Vorher-nachher-Versionen ihrer Texte finden, zum Beispiel in früheren Entwürfen, nachträglich überarbeitete Veröffentlichungen, in Arbeitsjournalen, Tagebüchern und Briefen. Vielleicht findest du solches Material von deinen Lieblingsautor*innen und Vorbildern.

Ist es nicht ermutigend, dass sie genauso zaudern und hadern und mitunter jahrelang an ihren Texten herumgewerkelt haben und ihre Erstlingswerke meist in der Schublade liegen geblieben sind? Mir nimmt das oft den Druck und motiviert mich, dran zu bleiben, weil es mir zeigt, dass es möglich ist, irgendwann die Texte zu vollenden, die den Weg zu ihren Lesern finden.

Nun interessiert mich: Wie gehst du mit innerem Druck beim Schreiben um?

[separator type=“thin“]Bei dir steht ein Abgabetermin an? In Teil zwei liest du, wie du trotz Termindruck Ruhe bewahrst und die Deadline einhältst.[separator type=“thin“]

Warum es manchmal besser ist, deine Ideen und Texte loszulassen

Warum es manchmal besser ist, deine Ideen und Texte loszulassen

Loslassen tut weh – doch loslassen befreit. Bei Gegenständen kann es manchmal ungemein schwerfallen sie wegzugeben. Sich von Menschen, Gewohnheiten oder Vorstellungen von uns zu trennen – da wird das Herz noch schwerer und der Kopf blockiert.

Nicht weniger leicht ist es mit den Texten, die du geschrieben hast. Da gibt es diese Idee, diesen Roman, den du unbedingt noch schreiben willst. Da gibt es diese angefangenen Texte, die sich noch lange nicht richtig und fertig anfühlen, die du irgendwann noch verbessern wolltest. Oder bei denen du so gar nicht weißt, was du mit ihnen tun sollst. Ideen und Fragmente spuken in deinem Kopf umher. Und sie tun vor allem eins: Sie binden Energie und halten nur auf. Zeit, sie loszulassen.

Warum es so schwer ist, Geschichten loslassen

Mit jeder Idee und Geschichte, die du loslässt, geht auch ein Teil von dir. Das macht das loslassen ja so schwer. Du hast etwas investiert und den Text aus einem guten Grund begonnen. Die Idee hat dich lange begleitet, doch jetzt ist sie es nicht mehr. Trotzdem glaubst du, es dieser Idee schuldig zu sein und sie umzusetzen zu müssen.

Wenn sich der eigene Text fremd anfühlt

Mir ging es nicht anders. Es gibt eine Kurzgeschichte, die ich im Abstand von vielen Jahren immer wieder überarbeitet habe. Einige Stellen sind besser geworden, aber letztendlich ist sie ein Mosaik geworden, das nicht mehr harmoniert. Weil ich über eine lange Zeit nichts Neues geschrieben habe, habe ich diese Geschichte noch zu manchen Schreibtreffen mitgenommen.

Sie ist nicht besser geworden, ich habe sie komplett umgeschrieben, sie wurde zerredet und löst inzwischen nichts mehr aus, wenn ich sie lese. Sie ist mir fremd geworden – das ist nicht mehr meine Geschichte. Genauso ging es mir mit so manchen Geschichten, an denen ich immer weiter geschrieben habe, bis ich gemerkt habe, dass es gar nicht mein Thema ist oder etwas anderes mit ihnen nicht stimmte.

Jeder Text ist eine Übung für die Schreibpraxis

Ich habe diese Geschichten gehen lassen und lasse sie nun in ihrer Word-Datei ruhen. Sie haben ihren Zweck erfüllt: Sie haben mich weiter zum Schreiben ermutigt und gezeigt, dass ich mich weiterentwickelt habe.

Manchmal habe ich noch etwas in neue Texte mitnehmen können, eine Figur oder eine neue Idee, die sich aus dem Text entwickelt hat. Dasselbe gibt für Formulierungen, Sätze oder Metaphern, die ich in früheren Texten verwendet hat. Ich habe sie hin und wieder noch in neue Texte eingebaut.

Sieh es weder als aufgeben oder abbrechen noch als sprunghaft, wenn du einen Text loslässt, sondern so: Jeder Text ist gut, weil er der nächste Schritt war, der dich hierhingeführt hat, wo du nun stehst. In jedem deiner Texte stecken all die Erfahrungen, die du durch die Texte, die du zuvor gelesen oder geschrieben hast, sammeln konntest.

Loslassen gibt Raum und Fokus für neue Texte

Solange du deinen alten Texten nachhängst, wirst du kaum etwas Neues schreiben. Solange du nicht nach neuen Themen, Ideen und Formulierungen suchst, wird nichts Neues entstehen. Sobald du alte Texte loslässt, eröffnet sich dir Raum für neue Ideen und Texte.

Wenn du beginnst, das Schreiben als Prozess anzusehen, ist es okay, normal und wichtig Texte für die Schublade oder den Papierkorb schreiben. Sie alle sind Teil deines Wegs.

Wenn du loslässt, hast du zwei Hände frei.
Aus China

Kennst du auch das Gefühl und trägst alte Texte mit dir herum?

Wie gehst du mit solchen Texten um?