Atempause – Journaling zur Jahresmitte

Atempause – Journaling zur Jahresmitte

Im Sommer ist es ungewohnt, innezuhalten und stehenzubleiben, während alles andere da draußen in Bewegung ist, farbig leuchtet, nach Sommersonne und Blüten duftet und der Sternenhimmel zum Raum für all die schönen Stunden wird. Und genau deshalb lade ich dich ein, zurückzuschauen auf das, was gerade erst hinter dir liegt: die erste Jahreshälfte.

Halbjahresrückblick zur Sommersonnenwende

Und welche Zeit eignet sich besser dafür als die Sommersonnenwende? Am 21. Juni 2021 sorgt sie für den längsten Tag des Jahres, an dem es mehr als 17 Stunden hell ist. Und gleichzeitig markiert sie den Wendepunkt, ab dem die Tage wieder kürzer und die Nächte länger werden.

Die Sommersonnenwende ist das Fest des Lichts und Feuers und wird besonders in Skandinavien gefeiert – dort wird gegessen, getrunken, gesungen und getanzt. Wenn du Lust auf dein eigenes Ritual hast, dann nimm dir dein Journal und etwas zu schreiben und lass dich von den Fragen über das Papier tragen.

Sonnenmomente

Lass die letzten sechs Monate Revue passieren:

Welche sonnigen Momente siehst du vor deinem inneren Auge?


Sonnenuhr

Wo standest du noch vor sechs Monaten und wo stehst du heute?

Vielleicht findest du ein Bild für deinen Weg: Glich er einer rasanten Fahrt auf der Autobahn, einem langen Spaziergang, einer beschwerlichen Wanderung, einem Irrweg? Bist du auf offenem Meer getrieben oder stehst du noch immer an der Schwelle?

Liste zuerst deine Stationen auf – und Zwischenstationen, falls es welche gibt. Vielleicht kannst du deinen Weg Monat für Monat in Etappen unterteilen.

  1. Dein Ausgangspunkt: …
  2. Wo du jetzt stehst: …

Stelle im zweiten Schritt die beiden Orten gegenüber. Vervollständige die Sätze und lass dich gerne gedanklich weitertragen:

  • Mein erster Schritt …
  • Angekommen bin ich …

Wolkenbruch

Regentage, Stürme und Gewitter bleiben nicht aus – in welche bist du unterwegs hineingeraten?


Ein Schirm für alle Fälle

Wie wappnest du dich gegen zukünftige Wolkenbrüche? Erstelle eine Liste, welche Strategien sich für dich bewährt haben. Schreib alles auf, was dir dieses Jahr gut getan hat und du auch in der zweiten Jahreshälfte beibehalten möchtest. Vielleicht gibt es auch etwas, dass du einmal ausprobieren möchtest:


Aussichtspunkt

Richte deinen Blick auf die nächsten sechs Monate, die vor dir legen. Was möchtest du erleben und erreichen? Nähere dich deinen Wünschen mit dem immer gleichen Satzanfang an:
In diesem Jahr möchte ich …
In diesem Jahr möchte ich …
In diesem Jahr möchte ich …


Kurskorrektur

In welchen Bereichen musst du einlenken oder einen anderen Weg einschlagen, um deine Wünsche und Ziele zu erreichen?

Welche Samen kannst du schon heute aussäen, damit in der zweiten Jahreshälfte etwas Wunderschönes aufblühen kann?


Ritual zur Sommersonnenwende: Einen Herzenswunsch verbrennen

Sieh dir nun die Liste mit deinen Wünschen an und schreibe den, der dich mitten ins Herz trifft, auf einen kleinen Zettel. Es ist eine Tradition, diesen Wunsch am Tag der Sommersonnenwende dem Feuer zu übergeben, damit er in Erfüllung geht.

Was dir dein Text sagen will – Journal-Einträge entschlüsseln durch Reflexion

Was dir dein Text sagen will – Journal-Einträge entschlüsseln durch Reflexion

Die Einträge im Tagebuch oder Journal sind Momentaufnahmen: Aus einer Stimmung heraus geschrieben, im Hier und Jetzt entstanden. Sie erzählen davon, was dich bewegt hat, was du gedacht und gefühlt hast, wie du mit dir selbst gesprochen hast, was du erlebt hast. Genau deshalb sind sie ein wahrer Schatz, um Botschaften, Themen und Zusammenhänge in deinem Leben zu erkennen.

Reflexion direkt nach einem Journal-Eintrag schreiben

Wie das Schreiben deiner Einträge kann auch das Schreiben von Reflexionen zu einem festen Bestandteil deiner Journaling-Routine werden. Es sind nur wenige Minuten, die du dafür an das Schreiben hängst.

Nachdem du in dein Journal geschrieben hast, lies dir den Eintrag noch einmal durch und unterstreiche Wörter, die dir wichtig erscheinen oder von denen sich gerade etwas in dir angesprochen fühlt. Schreib anschließend eine kurze Reflexion. Das kann ein Satz oder ein paar mehr sein, in dem du deinen Eindruck festhältst.

Mögliche Fragen für die Reflexion:

  • Während ich das lese, fällt mir auf …
  • Beim Lesen fühle ich mich …
  • Mich überrascht …
  • Ich sehe …

Wenn du regelmäßig deine Einträge reflektierst, kannst du dir von Zeit zu Zeit diese Reflexionen vornehmen und schauen, was sich mit der Zeit verändert.

Lose Fäden miteinander verbinden

Reflexion schafft Distanz und hilft, eine andere Perspektive einzunehmen. Was du heute erlebst, lässt sich oft erst im Nachhinein einordnen. In dem Moment, in dem du ins Journal oder Tagebuch schreibst, kannst du das Ganze noch nicht sehen, und noch nicht wissen, was passierten wird.

Um lose wirkende Fäden miteinander zu verbinden, kannst du Einträge auswählen,

  • die ein Thema gemeinsam haben
  • mit einer vergleichbaren Situation, in der du dich heute befindest
  • in denen sich deine Wortwahl/Stimmung/Gefühle/Gedanken ähneln
  • die in einer bestimmte Phase deines Lebens liegen.

Lies sie dir nacheinander durch, reflektiere und schreibe Fragen dazu auf, auch wenn du im Moment vielleicht noch keine Antwort darauf findest. In der Rückschau lassen sich Zusammenhänge herstellen, die du im Erleben nicht sehen konntest. Ich habe zum Beispiel erst beim Durchlesen meiner Einträge erkannt, in welchen Situationen ich Migräne bekommen habe.

Zu (inneren) Bildern und Metaphern schreiben

Das Unterbewusstsein spricht in Symbolen und Bildern. Sie verstecken sie vor allem in frei und intuitiv geschriebenen Texten. Begegnet dir ein Bild öfter in deinen Einträgen oder in einem Traum, kannst du es in einer Reflexion näher betrachten – und vielleicht auch durch das Schreiben entschlüsseln.

Spannend sind auch die äußeren Bilder oder Symbole, die dir wiederholt im Alltag begegnen, etwa eine Katze, die dir öfter begegnet, oder die Gartentür, die in letzter Zeit offen steht. Nimm dieses Bild aus Ausgangpunkt und schreib darüber.

Welche Erfahrung hast du gemacht: Reflektierst du regelmäßig deine eigenen Texte?

Eine Journaling-Routine, die in den Alltag passt

Eine Journaling-Routine, die in den Alltag passt

Mit dem Schreiben anzufangen und wieder aufzuhören ist einfacher als dranzubleiben. Das hast du sicher schon erlebt, vermutlich mehr als einmal. Sind gute Gewohnheiten noch nicht fest im Alltag verankert, gehen wir wieder in alten Mustern baden, sobald es windig und hektisch wird.

Dabei ist gerade der Halt guter Gewohnheiten in stürmischen Zeiten so wichtig. Das Schreiben, egal ob Morgenseiten, das Journal oder Tagebuch, zähle ich zu den guten Gewohnheiten. Zum Aufbau solcher Gewohnheiten oder Journaling-Routinen wurde schon viel geschrieben.

Ich möchte ein paar Gedanken zu Schreib- bzw. Journaling-Routinen mit dir teilen, die weniger das sollte und dafür mehr das wollen in den Blick nehmen. Wenn du magst, beantworte die folgenden Fragen in deinem Journal, um dich den Antworten nach deiner Routine schreibend anzunähern.

1. Was steckt hinter deinem Wunsch, regelmäßig zu schreiben?

Die Frage nach deinem Warum ist grundlegend für alles, was du anfangen oder etablieren möchtest. Hinter dem Warum verbirgt sich deine Motivation. Gründe, um regelmäßig oder täglich zu schreiben, können sein:

  • das Flow-Gefühl während des Schreibens zu spüren,
  • deinen kreativen Output zu erhöhen,
  • regelmäßige Auszeiten nur für dich zu nehmen,
  • in Kontakt mit dir und deiner inneren Stimme zu kommen,
  • den Kopf aufzuräumen,
  • Klarheit zu gewinnen,
  • Erkenntnisse zu sammeln
  • Erinnerungen festzuhalten.

Beschreibe das Gefühl, das dir das Schreiben gibt, und erinnere dich im Alltag daran, wenn du zwischen Schreiben und Aufschieben schwankst.

2. Was funktioniert für dich und was nicht?

Bei dieser Frage darfst du ganz ehrlich auf deinen Alltag und deine Bedürfnisse schauen. Schließe Frieden mit dem sollte und lass los, was nicht für dich funktioniert. Muss es wirklich täglich sein? Muss es unbedingt morgens sein, nur weil es für viele andere funktioniert?

Schau dir stattdessen an:

  • Welchen Tages- und Wochenrhythmus hast du?
  • Wann hast du freie Zeiten in deinem Kalender und wie füllst du sie normalerweise?
  • Zu welcher Tageszeit schreibst du am liebsten?
  • Wie viel Zeit möchtest du dir fürs Schreiben nehmen? Und ist das realistisch?
  • Brauchts du feste Termine oder flexibel verschiebbare Zeitblöcke für das Schreiben?
  • Welche sind deine Lieblingsübungen, -methoden, oder -Journalingfragen?
  • Brauchst du Ruhe oder Musik beim Schreiben?
  • Darf es bequem auf dem Sofa, in einem Sessel, im Bett oder konzentriert am Schreibtisch sein?

3. Welchen Anker kannst du dir im Alltag setzen?

Damit das Schreiben zu einem festen Bestandteil deines Alltags wird, braucht es einen Anker. Diesen kannst du setzen, indem du das Schreiben an eine Gewohnheit koppelst, die du ohnehin schon tust, wie die Tasse Kaffee am Morgen zu trinken, nachdem du vom Spaziergang wieder zur Tür hereinkommst, nach dem Zähneputzen… Mach es dir leicht und lege das Journal zusammen mit einem Stift bereit noch bevor du mit dem Schreiben startest. Immer, wenn dein Blick auf dein Journal fällt, erinnert es dich an deine Schreibroutine.

Auch ein kleiner Anfang ist ein Anfang

Bis ich eine feste Journaling-Routine etabliert habe, bin ich zwischen langen Phasen des Schreibens und Nicht-Schreibens hin- und hergependelt. Ruhe hat One Line A Day reingebracht. Es ist ein handliches Notizbuch, das für jeden Tag des Jahres fünf schmale Zeilen bereithält und das für fünf Jahre. Komplett ausgefüllt, sehe ich auf einer Seite einen Tag, wie ich ihn an fünf verschiedenen Jahren erlebt habe. Jeden Tag ein paar kurze Sätze – das geht leicht von der Hand und ist zu einem festen Gute-Nacht-Ritual für mich geworden.

Ich bin inzwischen bei meinem zweiten One-Line-A-Day-Buch angekommen und es ist ein schöner Gedanke, meinen Alltag über so viele Jahre (fast) lückenlos zu dokumentieren und fünf Jahres eines ganzen Lebens in meiner Hand zu halten.

Der Nebeneffekt: Meine Phasen der Nicht-Schreibens sind kürzer geworden und ich schreibe spätestens jeden zweiten Tag zusätzlich Morgen– oder Abendseiten. Ich habe mich also nicht auf eine Tageszeit festgelegt, sondern entscheide am Tag, wonach mir ist.

Hast du eine feste Schreibroutine? Falls ja: Was hilft dir dabei, sie einzuhalten?

Topics du Jour – Tag für Tag über ein neues Thema schreiben

Topics du Jour – Tag für Tag über ein neues Thema schreiben

Von Tag zu Tag – von Monat zu Monat: Um zu sehen, wie du in deinen wichtigen Lebensbereichen wächst und dich persönlich oder beruflich weiterentwickelst, gibt es die Journaling-Methode Topics du Jour (dt. Themen des Tages) von Kathleen Adams. Sie kombiniert eine tägliche Chronik deines Lebens mit wiederkehrenden Themen, um deine Erfolge, (Fort-)Schritte und Entwicklungen zu dokumentieren.

So funktioniert Topics du Jour

Nummeriere auf einer Seite in deinem Journal die Zahlen von 1 bis 31 und ordne jeder Zahl ein anderes Thema zu, das dir wichtig ist. Die Idee: An jedem neuen Tag im Monat schaust du auf die Liste und schreibst über das jeweilige Thema des Tages. Am 1. eines Monats nimmst du das Thema Nummer eins als Ausgangspunkt, am 2. schreibst du zu Nummer zwei usw. So gehst du Monat für Monat diese Liste von vorne durch.

Ideen für die Themen des Tages

Die Themen auf deiner Liste kannst du frei wählen und an deinen Monatsrhythmus anpassen. Sinnvoll ist es, am Monatsende auf den Monat zurückschauen und gleichzeitig in den bevorstehenden zu blicken. Für den Monatsanfang eignen sich Themen, die dir helfen, deinen Fokus zu finden und dich (wieder) auszurichten.

Hier habe ich 31 Themen für dich gesammelt, die du gerne für dein Journal übernehmen kannst:

  1. Worauf ich mich freue
  2. Ziele
  3. Gewohnheiten
  4. Arbeit
  5. Familie
  6. [Name einer Person]
  7. Was ich gelernt habe
  8. Verlust
  9. Lichtblick
  10. Wovon ich mehr tun will
  11. Erfolge
  12. Wünsche für mich
  13. Loslassen
  14. Unausgesprochen
  15. Leseliste
  16. Was ich vermisse
  17. Träume
  18. Kraft
  19. Stress
  20. Womit ich helfen kann
  21. Mein Zuhause
  22. Gedankenschleifen
  23. Gespräche
  24. Wovon ich weniger tun will
  25. Freude
  26. Was ich für mich tun kann
  27. [Name einer weiteren Person]
  28. Herzmomente
  29. Entscheidungen
  30. Reflexion
  31. Was nächsten Monat ansteht

Plane von Zeit zu Zeit eine Reflexion ein, um zu schauen, ob die Themen noch für dich stimmig sind oder ob du manche Themen austauschen möchtest.

Quellen und weiterführende Literatur

Adams, Kathleen (2009): Journal to the Self: Twenty-Two Paths to Personal Growth – Open the Door to Self-Understanding by Writing, Reading, and Creating a Journal of Your Life.

Das Schreiben ist mein Spiegel

Das Schreiben ist mein Spiegel

Alles was ich schreibe, zeigt ein Stück von mir. Ein Bruchstück. Eine Scherbe, manchmal. Und je mehr ich schreibe, desto mehr wird ein Spiegel daraus.

Auf dem Papier kann ich sein, wer ich bin und werden wer ich sein möchte. Das Papier hört mir zu und wirft manchmal ein Echo zurück. Manchmal trifft es mich, weil es mir zeigt, was ich übersehen habe, überdacht und übergangen habe. Dann tröstet es mich, denn diese Klarheit vertreibt den Schmerz. Wenn ich nicht weiter weiß, schreibe ich. Wenn ich traurig bin, schreibe ich.

Das Papier weiß alles über mich, mehr als ich anderen erzählen kann. Das Papier sieht mich und hilft mir dabei, ich selbst zu sein. Es urteilt nicht. Ich vertraue in das Papier, in den Prozess, in meine Hand, die mich und meine Gedanken trägt, ihnen Klarheit gibt und Gewicht verleiht. Ich vertraue dem Papier, das den Geschichten meines Lebens Gestalt gibt, Worte schenkt und sie mich umschreiben lässt, wann immer ich das möchte und bereit dazu bin.

Das Papier ist mein Spiegelbild, nicht immer geliebt und doch sind wir verbunden. Ich lese mich und wenn ich die Spiegelschrift entschlüssle, erkenne ich mich. Ich schreibe mich fort, fort von hier und lande doch immer im Hier und Jetzt.

Wen siehst du, wenn du in den Spiegel siehst?
Kannst du dich lesen, geschrieben in Spiegelschrift?